Die polnisch-US-amerikanische Historikerin und Publizistin Anne Applebaum erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2024. Applebaum gehöre zu den wichtigsten Analytikerinnen autokratischer Herrschaftssysteme, teilte der Stiftungsrat des Friedenspreises in Frankfurt am Main mit. Sie gelte als Expertin der osteuropäischen Geschichte und habe schon früh vor einer möglichen gewaltvollen Expansionspolitik des russischen Präsidenten Wladimir Putin gewarnt.
Wichtiger Beitrag für die Bewahrung von Demokratie und Frieden
„Anne Applebaum hat mit ihren so tiefgründigen wie horizontweitenden Analysen der kommunistischen und postkommunistischen Systeme der Sowjetunion und Russlands die Mechanismen autoritärer Machtergreifung und -sicherung offengelegt“, führte der Stiftungsrat aus. Mit ihren Forschungen zur Wechselwirkung von Ökonomie und Demokratie sowie zu den Auswirkungen von Desinformation und Propaganda auf demokratische Gesellschaften zeige sie auf, wie zerbrechlich diese seien. Dies gelte besonders dann, wenn Demokratien von innen, durch Wahlerfolge von Autokraten, ausgehöhlt würden.
Die 1964 in Washington D.C. als Kind jüdischer Eltern geborene Applebaum studierte Russische Geschichte und Literatur an der Yale University sowie Internationale Beziehungen in London und Oxford. 1988 wurde sie Auslandskorrespondentin in Polen für das britische Nachrichtenmagazin The Economist, dann arbeitete sie für mehrere britische Zeitungen. Bis 2019 schrieb sie als Kolumnistin für die „Washington Post“, seither vornehmlich für die US-amerikanische Zeitschrift The Atlantic.
Zahlreiche Auszeichnungen für ihre Werke
2011 wurde Applebaum Direktorin des „Transitions Forum“ am Londoner Legatum Institute, wo sie unter anderem das „Democracy Lab“ entwickelte. 2017 nahm sie eine dauerhafte Professur an der London School of Economics and Political Science an. Ihr dort entworfenes Programm „Arena“ über Desinformation und Propaganda verlegte sie 2019 an das Agora-Institut der Johns Hopkins University in Baltimore. Applebaum lebt seit 30 Jahren mit Unterbrechungen in Polen. Sie ist verheiratet mit dem polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski.
Für ihre Bücher wie „Der Gulag“ (2003), „Der Eiserne Vorhang“ (2012), „Roter Hunger“ (2019) und die „Die Verlockung des Autoritären“ (2021), in denen sie den Mechanismen autoritärer Machtsicherung nachspürt, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem erhielt sie den Pulitzer-Preis 2004 und zuletzt den Carl-von-Ossietzky-Preis 2024.
Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird seit 1950 vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert. Die Auszeichnung wird traditionell am letzten Tag der Frankfurter Buchmesse am 20. Oktober in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Im vergangenen Jahr wurde der Schriftsteller Salman Rushdie geehrt.