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Verfassungsgericht soll vor Missbrauch geschützt werden

Die Ampel hat sich mit der Union auf einen besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichts geeinigt. Welche Punkte im Grundgesetz festgeschrieben werden sollen.

Vor dem Bundesverfassungsgericht hat die AfD verloren
Vor dem Bundesverfassungsgericht hat die AfD verlorenImago / Schöning

Die Parteien der Ampel-Regierung und die Union wollen bis zur nächsten Bundestagswahl das Bundesverfassungsgericht besser vor möglicher politischer Einflussnahme schützen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) präsentierte gemeinsam mit Abgeordneten aus SPD, Union, Grünen und FDP in Berlin Eckpunkte für Gesetzesänderungen, die die Unabhängigkeit und Arbeitsfähigkeit des höchsten deutschen Gerichtes deutlicher festschreiben sollen – und zwar im Grundgesetz.

Die Verfassung macht aktuell wenig Vorgaben zur Struktur des Bundesverfassungsgerichts. Wesentliche Grundlagen wie die auf zwölf Jahre begrenzte Amtszeit der Richter, die Festlegung auf zwei Senate und die Anzahl der Richter formuliert das Bundesverfassungsgerichtsgesetz, ein sogenanntes einfaches Gesetz, das mit einfacher Mehrheit im Bundestag geändert werden könnte.

Ausschluss der Wiederwahl von Richtern sollen im Grundgesetz enthalten sein

Diese wesentlichen Grundlagen sollen deshalb künftig im Grundgesetz enthalten sein. Dazu zählen auch der Ausschluss der Wiederwahl von Richtern, die Bindungswirkung der Entscheidungen und die Geschäftsordnungsautonomie des Bundesverfassungsgerichts. Schreibt man diese Struktur im Grundgesetz fest, kann sie nur mit zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat geändert werden. Der Schutz vor politischem Missbrauch des Gerichts wäre damit höher.

Auch für das Vorhaben, das Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz stärker zu schützen, braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit. SPD, Grüne und FDP sind daher auf die Unterstützung der Union angewiesen, um die Reform noch in dieser Wahlperiode umzusetzen. Monatelang haben Regierung und die größte Oppositionsfraktion diskutiert, bis sie am Dienstag ihren Kompromiss vorstellten.

Buschmann: “Ein guter Tag für die demokratische Kultur”

Es sei ein guter Tag für die Verfassungsordnung und die demokratische Kultur, sagte Buschmann bei der Vorstellung der Einigung. In einer Zeit, in der „giftige Debatten“ ausgetragen würden, habe sich eine breite Allianz von Parlamentariern zusammengefunden, um das Verfassungsgericht zu stärken. Es sei ein Vorschlag der „Fraktionen der Mitte“, sagte der Justiziar der Unions-Bundestagsfraktion, Ansgar Heveling (CDU). AfD, Linke und BSW waren an den Gesprächen nicht beteiligt.

Auslöser der Debatte um eine Stärkung des Bundesverfassungsgerichts waren Justizreformen der PiS-Regierung in Polen, die das dortige Verfassungsgericht schwächten, und in Ungarn. Wer seine Macht ausdehnen wolle, versuche erst einmal, die Mechanismen zur Kontrolle von Macht außer Kraft zu setzen, sagte der FDP-Rechtspolitiker Stephan Thomae und begründete damit die geplante Grundgesetzänderung.

Konkreter Gesetzentwurf zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts soll formuliert werden

Der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner erläuterte, zu den Tricks der PiS in Polen habe gezählt, das Verfassungsgericht mit vielen Prüfungen lahmzulegen und damit eine Beschäftigung mit wichtigen Fragen zu verhindern. Die Regierungsmehrheit hatte dort durchgesetzt, dass das Gericht die Verfahren in der Reihenfolge des Eingangs, nicht nach Bedeutung abarbeiten muss. Unter anderem deshalb zählt die Geschäftsordnungsautonomie des Gerichts zu den insgesamt neun Strukturmerkmalen des Bundesverfassungsgerichts, die künftig im Grundgesetz abgesichert werden sollen.

Verhindern wollen Ampel-Fraktionen und Union zudem, dass durch destruktives Verhalten politischer Kräfte im Bundestag oder Bundesrat die Wahl von Verfassungsrichtern blockiert wird. Sie werden je zur Hälfte von Parlament und Länderkammer mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt. Ein gutes Drittel kann die Wahl also verhindern und damit die Arbeitsfähigkeit des Gerichts gefährden. Für diesen Fall sehen die Eckpunkte einen Ersatzwahlmechanismus vor: Gelingt die Wahl in einem der beiden Verfassungsorgane für drei Monate nicht, kann das jeweils andere wählen. Die Zwei-Drittel-Mehrheit bleibt dabei notwendig. Sie zählt aber nicht zu den Strukturmerkmalen, die künftig im Grundgesetz festgeschrieben werden sollen.

Nach der Einigung der Fraktionen soll nun im Bundestag ein konkreter Gesetzentwurf zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts formuliert werden. Fechner zufolge wird eine Beratung und Verabschiedung noch bis Jahresende angestrebt.