Nach “Der Junge muss an die frische Luft” hat Oscar-Preisträgerin Caroline Link 2019 “Als Hitler das rosa Kaninchen stahl” verfilmt – das Kinderbuch über ein jüdisches Mädchen, das 1933 vor den Nazis in die Schweiz floh.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Als Annas (Riva Krymalowski) Familie schon ein paar Wochen in der Schweiz lebt, in einem kleinen Dorf am Zürichsee, erreicht sie eine schlechte Nachricht. Das Haus in Berlin, das sie fluchtartig verlassen musste, wurde mit dem gesamten Hab und Gut von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. Die Hoffnung, bald wieder in ihr Zuhause zurückzukehren, wird damit erst einmal zerschlagen.
Anstatt in die Schranken gewiesen zu werden, haben die Nationalsozialisten an Macht und Einfluss gewonnen und nach den Reichstagswahlen im März 1933 sogar damit begonnen, alle Grundrechte jüdischer Bürger auszuhebeln. Die politische Reichweite dieser Entwicklung ist der neunjährigen Anna allerdings noch nicht bewusst. Für sie zählt etwas ganz Konkretes: Die Nationalsozialisten sind nun im Besitz ihres Lieblingskuscheltiers, das sie in Berlin zurücklassen musste: Hitler hat ihr rosa Kaninchen gestohlen!
Ohne klischeehafte Bilder erzählt Caroline Links Adaption des gleichnamigen Kinderbuchs von den ersten Jahren des NS-Regimes, von Antisemitismus, Flucht und Vertreibung. Bemerkenswert ist sowohl der stetige Wechsel zwischen Betrübtheit und Lebensfreude als auch die Erzählperspektive: Durch ein Kind im Mittelpunkt öffnet sich das komplexe Themenfeld sensibel auch für ein junges Publikum.
Als Annas Familie schon ein paar Wochen in der Schweiz lebt, erreicht sie eine schlechte Nachricht. Das Haus in Berlin, das sie fluchtartig verlassen mussten, wurde mit dem gesamten Hab und Gut von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. Die Hoffnung, bald wieder zurückzukehren, ist zerschlagen. Anstatt in die Schranken gewiesen zu werden, haben die Nazis an Macht und Einfluss gewonnen und nach den Reichstagswahlen 1933 begonnen, die Grundrechte auszuhebeln.
Die politische Reichweite dieser Entwicklung ist der Neunjährigen allerdings noch nicht bewusst. Für sie zählt etwas ganz Konkretes: Die Nazis sind im Besitz ihres Lieblingskuscheltiers, das sie zurücklassen musste – Hitler hat ihr rosa Kaninchen gestohlen.
Oscar-Preisträgerin Caroline Link behält in ihrer Verfilmung von 2019 die Perspektive der 1974 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Vorlage von Judith Kerr bei und stellt ebenfalls die Sichtweise der jungen Anna in den Mittelpunkt. Mit deren Augen beobachtet sie, wie sich die politischen Verhältnisse verändern.
Buch und Film brechen die großen Ereignisse auf die Lebenswelt von Kindern herunter. Neben “Fannys Reise” und der Zeichentrickserie “Die langen großen Ferien” ist “Als Hitler das rosa Kaninchen stahl” einer der eindrucksvollsten jüngeren Filme, die sich bemühen, sensibel, kindgerecht und ehrlich über die NS-Zeit zu erzählen.
Es ist eine Stärke des Films, auf die typischen Nazi-Bilder zu verzichten, die in so vielen anderen Filmen bedient werden. Es gibt keine Konfrontationen mit zwielichtigen SS-Männern und keine dramatischen Fluchtszenen; markante historische Ereignisse fließen nebenbei ein.
Verharmlost wird dadurch allerdings nichts. Unmissverständlich macht der Film deutlich, dass Annas Vater, ein bekannter jüdischer Autor und Nazi-Kritiker, schleunigst das Land verlassen muss, um sich in Sicherheit zu bringen. Wenig später ist die ganze Familie auf dem Weg in die Schweiz. Nur die geliebte Haushälterin Heimpi bleibt in Berlin zurück.
Anna, ihren älteren Bruder Max und ihre Eltern verschlägt es erst in ein kleines Dorf am Zürichsee, später nach Paris. Immer wieder stehen Anna und Max vor denselben Problemen: Sie müssen neue Freunde finden, sich an ungewohnte Regeln und Traditionen gewöhnen, Sprachbarrieren überwinden, Ausgrenzungen ertragen. Und immerzu werden sie auch mit dem Antisemitismus konfrontiert, der sich zunehmend ausbreitet.
Erneut beweist Caroline Link ihr besonderes Gespür im Casting und in der Schauspielführung von Kindern. Mit Riva Krymalowski ist ihr ein Glücksgriff gelungen. Die Rolle der Anna spielt die Nachwuchsschauspielerin mit einer Mischung aus Neugier, Frechheit, Witz und Zerbrechlichkeit, womit sie genau zu der starken Persönlichkeit wird, die diese Geschichte tragen kann.
Die Inszenierung wirft zudem einen genauen Blick auf die Beziehungen innerhalb der Familie. Mit prägnanten, warmherzigen Szenen erzählt der Film vom Verhältnis zwischen dem Vater und seinen Kindern, aber auch vom Familiengefüge als Ganzes.
Von Station zu Station engt sich deren Handlungsspielraum immer mehr ein – auch optisch erkennbar am Kontrast zwischen der weitläufigen Villa in Berlin und der viel zu kleinen Wohnung in Paris. Und doch bewahrt die Familie auch unter widrigsten Umständen Humor und Lebensfreude. Das gemeinsame Essen wird zum verbindenden Element; der Zusammenhalt garantiert die dringend notwendige Sicherheit und Geborgenheit auch ohne festen Wohnsitz.
Diese positive Grundhaltung überrascht zunächst. Ist es angemessen, so leichtfüßig über Flucht und Vertreibung – mit Blick auf den Holocaust, aber auch auf aktuelle Schicksale – zu erzählen? Damit aber bleibt Caroline Link der Erzählhaltung der Vorlage treu, ohne die Augen vor dem Ernst der Lage zu verschließen mit ihren Entbehrungen, Ängsten und Sorgen.