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Abschiebepläne gehen Kommunen und Ländern nicht weit genug

Die Bundesregierung will mit mehr Befugnissen für Polizei und Behörden die Zahl der Abschiebungen steigern. Doch der Städtetag und Innenminister aus der Union bleiben skeptisch.

Flüchtling in einer Abschiebehaftanstalt. (Symbolbild)
Flüchtling in einer Abschiebehaftanstalt. (Symbolbild)epd-bild / Werner Krüper

Die vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachte Verschärfung der Abschiebepraxis wird nach Einschätzung des Deutschen Städtetages und von Innenministern aus der Union kaum Wirkung entfalten. Der Städtetag dringt auf Rücknahmeabkommen mit den jeweiligen Herkunftsländern, und auch die Innenminister verlangen weitergehende Maßnahmen, um illegale Migration nach Deutschland zu begrenzen.

Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: „Das Ziel, Menschen ohne Bleibeperspektive in Deutschland schneller zurückzuführen, ist richtig. Aber wirksam werden diese Maßnahmen erst, wenn die Herkunftsländer diese Menschen auch aufnehmen.“ Dafür müssten schnell verlässliche Rücknahmeabkommen mit den jeweiligen Herkunftsländern geschlossen werden.

Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage verlängern

Die Bundesregierung will mit mehr Befugnissen für Polizei und Behörden die Zahl der Abschiebungen steigern. Der am Mittwoch beschlossene Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage zu verlängern, Abschiebungen nicht mehr vorab anzukündigen und die Befugnisse der Polizei bei Durchsuchungen in Gemeinschaftsunterkünften zu erweitern. Die Pläne müssen noch vom Bundestag beraten und verabschiedet werden.

Nach Ansicht des brandenburgischen Innenministers Michael Stübgen (CDU) ist der Gesetzentwurf „ein erster Baustein“, der „jedoch noch einiger Überarbeitung im parlamentarischen Verfahren“ bedürfe. „Im Ergebnis können durch die Regelungen im Gesetz in Einzelfällen Abschiebungen erleichtert und Verwaltungsverfahren beschleunigt werden“, sagte Stübgen der Welt.

Die Zahl der Abschiebungen werde durch dieses Gesetz aber nicht nennenswert erhöht werden. „Abschiebungen scheitern in der Regel daran, dass die Passpapiere fehlen oder die Herkunftsländer ihre Landsleute nicht zurücknehmen wollen. Diese Probleme werden durch den Gesetzentwurf nicht gelöst“, sagte Stübgen.

Joachim Herrmann: Gesetz „bestimmt kein Allheilmittel“

Peter Beuth (CDU), Innenminister in Hessen und derzeit Sprecher der unionsgeführten Länder in der Innenministerkonferenz, sagte der Welt: „Dass dieser Gesetzentwurf keine nennenswerte Entlastung der Kommunen bringen wird, muss allen klar sein.“ Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte der Zeitung, das Gesetz sei „bestimmt kein Allheilmittel“. „Ohne entsprechende Abkommen zur Rücknahme von ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerbern mit den häufig wenig kooperativen Herkunftsländern, die allein der Bund verhandeln und durchsetzen kann, wird es nicht gelingen, die Rückführungszahlen massiv zu erhöhen“, sagte Herrmann.

Ende September lebten nach Angaben des Bundesinnenministeriums 255.000 ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland. Rund 205.000 von ihnen hatten aber eine Duldung, können aktuell also nicht abgeschoben werden. Rund 12.000 Abschiebungen gab es in diesem Jahr laut Ministerium bis Ende September. Das sind mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, aber deutlich weniger als in der Zeit vor der Corona-Pandemie.