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120 Millionen Vertriebene weltweit – Rufe nach mehr Hilfe

Noch nie mussten so viele Menschen fliehen, um sich in Sicherheit zu bringen – Spiegel weltweit zunehmender Konflikte. Den Betroffenen zu helfen, liegt laut Entwicklungsministerin Schulze (SPD) auch in deutschem Interesse.

Die Zahl der Vertriebenen weltweit ist laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR höher als je zuvor. Nach aktuellen Schätzungen verloren 120 Millionen Menschen aufgrund von Verfolgung, Konflikten, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen oder instabiler Verhältnisse ihr Zuhause, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten “Global Trends Report” hervorgeht. Demnach führten neue und sich verändernde Konflikte wie auch das Unvermögen, bestehende Krisen zu lösen, zum zwölften Mal in Folge zu einem Anstieg. Hilfsorganisationen in Deutschland warnten die Politik vor falschen Reaktionen und riefen zu tragfähigen Lösungen auf.

UNHCR-Chef Filippo Grandi sagte, hinter den drastischen Zahlen stünden unzählige menschliche Tragödien. “Dieses Leid muss die internationale Gemeinschaft dazu bringen, dringend zu handeln und die Fluchtursachen zu bekämpfen”, so der Flüchtlingskommissar.

Neben 68,3 Millionen Menschen, die im eigenen Land von Konflikten vertrieben wurden, umfasst die Statistik 43,4 Millionen Flüchtlinge und andere Personen, die im Ausland Schutz suchten. Deren Mehrheit lebt laut UNHCR in Anrainerstaaten ihrer Heimat. Rund 75 Prozent aller Flüchtlinge fanden in Entwicklungs- und Schwellenländern Aufnahme, die zusammen weniger als 20 Prozent des Welteinkommens erwirtschaften.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) verwies darauf, gerade die ärmsten Länder zeigten die größte Aufnahmebereitschaft und trügen die schwerste Last. Perspektiven vor Ort und für eine Rückkehr in die Heimat zu schaffen, sei eine Investition in Frieden und Sicherheit weltweit. “Das liegt auch im deutschen Interesse”, sagte Schulze. Angesichts des Anstiegs der Flüchtlingszahlen brauche es “mehr Entwicklungszusammenarbeit – und nicht weniger”.

Die Welthungerhilfe sprach von einem alarmierenden Signal. Das Friedensgutachten 2024 von vier deutschen Friedensinstituten zeige, dass auch Gewaltkonflikte vergangenes Jahr einen Höchststand erreicht hätten. Frieden sei der wichtigste Schlüssel, um die Zahl der Vertriebenen zu verringern, sagte Generalsekretär Mathias Mogge. Vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit der Geflüchteten unweit ihrer Heimat und oft in armen Ländern unterkomme, gingen Debatten um Kürzungen der humanitären Hilfe an der Realität vorbei.

Das International Rescue Committee rief zu einem beständigen diplomatischen und finanziellen Engagement in Krisenregionen auf. Die Antwort auf steigende Vertriebenenzahlen dürfe kein Rechtsruck sein, sagte Corina Pfitzner, Geschäftsführerin der Organisation in Deutschland. Die Bundesregierung müsse eine Politik vorgeben, die die Solidarität fördere sowie Vielfalt und Menschenrechte verteidige.

Zum Jahresende 2023 berechnete UNHCR die Zahl der gewaltsam Vertriebenen, zu denen außer Binnenvertriebenen und Flüchtlingen noch weitere Personengruppen zählen, auf 117,3 Millionen. Demnach ist statistisch einer von 69 Menschen weltweit auf der Flucht. Vor zehn Jahren war es noch einer von 125.

Während des vergangenen Jahres nahmen die Vertriebenen um 8 Prozent oder 8,8 Millionen zu. Die größten neuen Bewegungen gab es laut dem Bericht durch den Bürgerkrieg im Sudan, im Gazastreifen sowie durch eskalierende Gewalt in Myanmar. In Afghanistan, der Ukraine, der Demokratischen Republik Kongo sowie in Haiti und Syrien setzte sich eine schwierige Situation fort.