Seit Jahrzehnten setzen sich die Kirchen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ein. Dabei berufen sie sich auf Genesis 2,15: „Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“ Doch die Ergebnisse dieses Bemühens sind für viele nicht konsequent genug. Theologische Vokabeln wie Schöpfungsbewahrung wirken abgegriffen. Wie also weitermachen? Damit beschäftigt sich auch ein Studientag via Zoom am 30. März.
Von Christina-Maria Bammel und Georg-Wagener-Lohse
Der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine hat Hundertausende von Menschen in Europa und weltweit auf die Straßen gebracht und eine Welle des Widerstands und der Hilfe ausgelöst. Auf Straßen, Plätzen und in Parlamenten wird unter dem Druck der eskalierten Situation auch diskutiert, wie der Einsatz von fossilen Ressourcen so schnell wie möglich reduziert werden kann, um Abhängigkeiten zu beenden. Fossile Energie tötet über kurz oder lang. Das ist eine der Botschaften nicht erst der vergangenen Tage.
In einer gewissen Ungleichzeitigkeit erleben wir momentan: Einer-seits braucht es jetzt das Handeln gegen einen Aggressor und zugleich sind da die nötigen mittelfristigen Wege aus der fossilen Energie heraus, die zwar schon lange laufen, aber noch längst nicht konsequent beschritten werden. Dadurch werden sie aber auch nicht über Nacht schneller. Jetzt sind völkerrechtswidrig nationale Grenzen überschritten worden. Die planetaren Grenzen der Belastbarkeit sind schon längst überschritten.
Alles nicht so schlimm?
Das aus den Fugen geratene Erdsystem trifft dabei diejenigen tödlich, die am wenigsten Schutz- und Ausweichmöglichkeit haben. Es geht nicht darum, immer und immer wieder die Ursachen dieser systemischen Reaktion herzubeten. Auch nicht darum, immer wieder zu sagen, was Konsum zwangsläufig im Materialverbrauch und Anwachsen der Reststoffberge anrichtet.
Es geht für uns alle vielmehr um ein Neulernen der Grundbedürfnisse. Eine enorme psychologische, eine seelische Aufgabe. Zu ihr gehört es, Reaktionsmuster offenzulegen wie etwa das, was sich mit „Optimismus-Bias“ verbindet: eine Haltung, die die eigene Lage besser einschätzt als sie objektiv ist, nach dem Motto: Alles nicht so schlimm. Interdisziplinär untersucht und erkannt ist, dass allerdings Bedrohungsszenarien nur begrenzt wirken, ebenso wenig wie Angst beim Lernen hilft. Lernerfolge, Umkehrerfolge brauchen die positive Emotion. Menschen lernen vor allem durch soziale Normen, die kulturell hervorgebracht werden und aus denen man nicht herausfallen möchte.
Neue Routinen probieren
Kirchengemeinden können hierzu beitragen und durch ihre wichtige geistliche Ressource wirken. Sie verbinden, wenn es gut geht, Menschen in der „freien Luft der geistigen Auseinandersetzung mit der Welt“ (Dietrich Bonhoeffer) zur Gemeinschaft und zum Probieren neuer Routinen eines Genug. In ihnen kann erfahrbar werden, dass neue Wege leichter zu gehen sind, wenn da ein Plural ist. Es braucht die guten Beispiele und es braucht theologische wie spirituellen Ressourcen, aus denen sich auf dem Weg zu neuen Routinen schöpfen lässt. Mehr als die Schreckensszenarien. Denn Alarmismus steht auf der Wirksamkeitsskala eher ganz unten.
Was wirkt? Die Erkenntnis, dass wir auf einem beschädigten Planeten leben, ja, sie ist nicht wegzureden. Aber auf diesem Planeten, genauer gesagt, auf dieser „dünnen Schicht von Leben“ besteht eine Hoffnung aufs Neuwerden. So beschreibt es Theologieprofessor Peter Scherle in einer theologischen Kontroverse um denkbare schöpfungstheologische Neuerungen in der Zeitschrift Zeitzeichen. Es geht um den Erhalt dieser sehr dünnen Schicht. Das ist Lebensinteresse und Verantwortung von Menschen.
Wir sind Teil des Netzes
Zu dieser Verantwortung gehört es wahrzunehmen, dass wir Teile eines schöpferischen Netzwerkes namens Natur sind, im symbiotischen Miteinander. Dieses „Ineinandersein“ ist Leben. In einer tief gezogenen christlichen Traditionsspur findet sich dagegen noch immer das alte Muster eines Gegeneinanders von Natur und Kultur. Beim Studientag „Schöpfung bewahren – geht das überhaupt?“ am 30. März setzen sich die Referentinnen und Referenten damit auseinander (siehe Kasten).
Sie lassen mit Blick auf Paradigmenwechsel, für die es jetzt Zeit ist, die so genannten „Graumacherargumente“ nicht gelten. Solche alles nur grau in grau machenden Argumente lassen sich ja auch innerkirchlich hören, etwa: Was könnte eine Kirche mit einem vergleichsweise kleinem Anteil von Immobilien, Land oder Wald schon bewirken?
Die Impulsgeber des Tages stehen für eine Blickweitung und lassen sich davon leiten, dass die Kleinsten – von der Größe eines Bakteriums etwa – die größte Kraft entfalten können. Das Bild vom Sauerteig leuchtet da auf. Und diese Blickweitung schaut auf das andere, das nachhaltige Wachstum des Reiches Gottes unter uns und erzählt Geschichten vom Aufstehen im Kleinen.
Christina-Maria Bammel ist Pröpstin der EKBO. Georg Wagener-Lohse ist Mitglied der Kommission für Schöpfungsverantwortung beim ÖRBB.