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Zwischen Himmel und Erde

Etwa 300 junge Menschen gehen jedes Jahr in soziale und diakonische Einrichtungen der Evangelischen Kirche von Westfalen, um dort Erfahrungen zu machen. Sie wollen hilfsbedürftige Menschen unterstützen und sich selbst ausprobieren

Die 19-jährige Lisa ringt nach Fassung. Sie ist den Tränen nahe. Alle aus der Gruppe haben sich heute versammelt, denn es heißt Abschied nehmen. Zwölf Monate hat Lisa nun im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres in der Wohngruppe für Menschen mit Behinderung mitgearbeitet. Heute ist ihr letzter Tag und sie hätte nie gedacht, dass ihr der Abschied so schwerfallen würde. Im Gegenteil. Anfangs war sie skeptisch, ob sie so einer Aufgabe überhaupt gewachsen sei oder sie Freude daran haben würde. Sie hatte vorher noch nie etwas mit Menschen mit Behinderung zu tun, die ersten Eindrücke in der Wohngruppe waren schon etwas befremdlich.

Die „Jugend von heute“ hat ein Herz für andere

Heute sagt sie für sich: „Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte!“
Immer wieder ist zu hören: „Die Jugend von heute interessiert sich doch nur für sich selbst.“ Die Referentinnen und Referenten des Diakonischen Jahres der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) erleben Tag für Tag das Gegenteil. Als Zentralstelle der EKvW vermitteln sie jährlich über 300 junge Menschen für ein Freiwilliges Soziales Jahr in Einrichtungen der Kirche und Diakonie und begleiten sie in ihrem Einsatz.
Bereits im Jahr 1958 wurde in Westfalen erstmals zum Diakonischen Jahr aufgerufen. Seit dieser Zeit ist es ein Erfolgsprogramm, das 1964 auch gesetzlich als „Freiwilliges Soziales Jahr“ verankert wurde. Heute ist es ein Markenzeichen, das eindrücklich zeigt, dass junge Menschen nach wie vor bereit sind, sich für andere einzusetzen, vor allem für die, die auf besondere Hilfe und Solidarität in unserer Gesellschaft angewiesen sind.
Ganz bewusst heißt das Freiwillige Soziale Jahr (mittlerweile auch der Bundesfreiwilligendienst) der EKvW auch heute noch „Diakonisches Jahr“. Das biblische Wort Diakonie kommt aus dem Altgriechischen (diakonia = Dienst von Diener) und meint alle Aspekte des Dienstes am Menschen. Auf das Diakonische Jahr übertragen war und bleibt dabei der Leitgedanke, sich im lebendigen Gestalten des Glaubens an Jesus Christus für seine Nächsten praktisch einzusetzen und selbst daran zu wachsen.
Der Slogan, mit dem 1958 für ein Diakonisches Jahr geworben wurde, lautete „Gib ein Jahr“. Heute heißt er „12 Monate, die es in sich haben“ und greift dabei umfassend auf, was alles drinstecken kann in so einem Jahr. Ganz klar: die Hilfe und Unterstützung für den Anderen – aber eben auch das eigene Wachsen und Lernen. Viele Teilnehmende konnten über die Jahre eindrücklich schildern, wie sehr sie die Erfahrungen im Diakonischen Jahr persönlich und auch beruflich bereichert und geprägt haben. Teamerfahrungen machen; Verantwortung zu übernehmen; das Gefühl zu haben, wirklich gebraucht zu werden, können hier beispielhaft genannt werden. Zusätzlich natürlich auch die Möglichkeit, in einen Berufszweig hineinzuschnuppern und sich dort auszutesten.
Darin begleitet und gestärkt durch die Mitarbeitenden des Diakonischen Jahres macht ein solches Jahr seiner Bezeichnung als Bildungsjahr alle Ehre.
Lisa kann dem nur zustimmen: „Ich habe so viel tolle neue Menschen in meinem Herzen. Natürlich gab es auch schwierige Momente, aber ich habe so viel aus diesem Jahr mitgenommen, fachlich und persönlich – das hätte ich nie gedacht.“

Informationen zum Diakonischen Jahr unter: www.diakonisches-jahr-westfalen.de.