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Zwischen Herzenswunsch und Konsum

Computerspiele, Barbie oder Spielzeugpistole: Die Weihnachtswünsche ihrer Kinder stürzen Eltern manchmal in ein Dilemma. Experten raten zum offenen Gespräch – und klaren Ansagen

Anke Bingel

„Liebes Christkind …“ – spätestens, wenn Kinder ihre Wünsche auf Papier bringen dürfen, beginnt die Vorfreude aufs Weihnachtsfest. Die ersten Wunschzettel vor rund 200 Jahren waren eher Dankesbriefe an die Eltern oder Bitten um Gottes Segen. Heute geht es konkreter zu: Neben klassischen Spielsachen stehen vor allem Smartphones und Spielekonsolen hoch im Kurs. Aber auch Spielzeuggewehre sind beliebt. Die Wunschzettel bringen viele Eltern jedes Jahr aufs Neue in ein Dilemma: Was soll ich schenken? Was darf ich schenken? Und was mache ich, wenn ich mir nicht alles leisten möchte und kann?

Die Zahl der Wünsche im Vorfeld begrenzen

Nach Ansicht von Erziehungsexperten kann es nicht schaden, schon mal mit den Kindern über ihre Wünsche zu reden, bevor der Wunschzettel geschrieben wird. „Damit zum einen nicht alle Wünsche der Welt niedergeschrieben werden, sich das Kind aber auf der anderen Seite ernst genommen fühlt“, sagt Peter Conzen, Leiter der Caritas-Erziehungsberatungsstelle in Bonn.
Das Kind sollte das Gefühl haben, dass es ein Mitspracherecht bei den Geschenken hat und ihm nicht einfach etwas unter den Weihnachtsbaum gelegt wird, was es nicht ansprechend findet. Und: „Man sollte die Zahl der Wünsche begrenzen“, sagt Conzen, „zum Beispiel auf einen Hauptwunsch und drei, vier weitere kleinere Wünsche“.
Eine Begrenzung der Wünsche und Geschenke hält auch Sabine Hufendiek für sinnvoll, Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin beim Evangelischen Zentralinstitut für Familienberatung in Berlin: „Mit einem Spielzeug kann man besser spielen als mit zehn.“ Noch viel wertvoller sei aber etwas anderes: „Mit dem Kind zusammen zu spielen – und nicht das Kind mit Spielzeugen überhäufen und es damit dann alleine lassen.“
Gerade in einkommensschwächeren Familien gebe es zu Weihnachten eine Flut an Geschenken, hat sie beobachtet. „Für die Eltern ist das Gefühl, dass das eigene Kind weniger bekommt als andere, schwer zu ertragen – deswegen wird an Weihnachten häufig überkompensiert.“
Manchmal steht aber auch Immaterielles auf dem Wunschzettel: Mama und Papa sollen wieder zusammenkommen. Oder die Oma soll wieder gesund werden. „Da muss man mit dem Kind ins Gespräch kommen und sagen: Wir verstehen den Wunsch, aber wir können ihn leider nicht erfüllen“, sagt Hufendiek. „Und dann muss man auch aushalten können, dass das Kind traurig wird.“
Und was macht man mit sehnlich gewünschten Dingen, die man als Eltern aus pädagogischen Prinzipien nur ungern verschenkt – Elektronikspielzeug, unnatürlich dünne Plastikpuppen oder Kriegsspielzeuge? Eine Patentlösung gibt es nicht. Die Experten raten dazu, auf das eigene Bauchgefühl und Wertesystem zu hören und dennoch gelassen zu bleiben.
„Die Unfähigkeit von uns Erwachsenen, etwa mit Krieg und Konflikten umzugehen, müssen wir jetzt nicht gänzlich auf die Kinder übertragen“, sagt Therapeutin Hufendiek. Dass Kinder in einem bestimmten Alter auch mit Waffen spielten, sich ausprobierten und selbst Stöcke dazu umfunktionierten, sei in Ordnung – auch wenn sie selbst als Mutter Kriegsspielzeug nicht verschenkte.
Generell gilt natürlich, sagt Erziehungsexperte Conzen: „Man muss nicht alle Wünsche des Kindes befriedigen.“ Auch für Kinder gehe es am Weihnachtsabend nicht nur um die Geschenke, sondern um etwas „Atmosphärisches, was das Gemeinschaftsgefühl und das Urvertrauen stärkt“.
Ältere Jugendliche – und Erwachsene – greifen mittlerweile gerne zu elektronischen Wunschzetteln von Online-Versendern. Die Familie bekommt per Mail eine Liste mit bereits ausgewählten Artikeln zugesendet und muss nur noch anklicken, der Empfänger ist bereits eingetragen. „Stinkwütend“ sei ein Kollege gewesen, als er eine solche Liste zugeschickt bekam, erzählt Pfarrerin Sabine Habighorst, Direktorin beim Evangelischen Zentralinstitut für Familienberatung Berlin.

Geschenke sollen gewünscht werden – nicht geordert

Aus ihrer Sicht ist das verständlich: „Der Akt des Schenkens ist dadurch völlig anonymisiert und wird nur noch als Güterverkehr gehandhabt.“ Dabei gehe es beim Wünschen und Schenken doch um Beziehungen und Kontaktaufnahme. Stattdessen werde „nicht mehr gewünscht, sondern geordert“, sagt die Theologin.
Ganz neu ist die Idee allerdings nicht: Schon im 19. Jahrhundert kamen Spielzeughersteller auf die Idee, den Wunschzettel zu ihren Gunsten etwas zu vereinfachen und kurzerhand eine Liste anzubieten, auf der nur noch angekreuzt werden musste.

Internet: Evangelisches Zentralinstitut für Familienberatung Berlin: www.ezi-berlin.de.