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Zwiebelmett und Vorurteile

Begegnungen mit Menschen aus anderen Ländern weiten den Blick und helfen, Grenzen zu überwinden. Partnerschaftsprogramme sind daher ein wichtiger Beitrag zur Völkerverständigung

Am Schluss war es die Zwiebelmettwurst, die den beiden polnischen Austauschschülerinnen am besten schmeckte. Vorher hatten sie sich tapfer durch alles probiert, was es auf unserem Frühstückstisch gab, von schwedischer Fischpaste bis zu westfälischem Rübenkraut. Und es blieb nicht beim Ausprobieren ungewohnter Speisen: Diskutiert haben wir auch – auf Englisch – über Vorurteile zwischen Deutschen und Polen, über evangelische und katholische Traditionen, über Flüchtlinge und über Musik.
Wer an einen fremden Tisch eingeladen wird, kommt schon mal ins Staunen: So etwas esst ihr? Und wer sich mit Menschen aus anderen Ländern, mit anderer Kultur oder anderer Religion unterhält, wundert sich ebenfalls manchmal: So lebt ihr, und so denkt ihr?
Solche Entdeckungen werden möglich durch Austauschprogramme und Partnerschaften. Eine großartige Errungenschaft: Als die europäischen Länder nach der zerstörerischen Wut des Zweiten Weltkriegs daran gingen, Europa wieder aufzubauen, setzten sie unter anderem auf die Hoffnung, dass Begegnungen zwischen Menschen aus zuvor verfeindeten Ländern Verständnis und Frieden schaffen. Denn wer dem anderen ins Gesicht schaut, mit ihm für eine Zeit unter einem Dach wohnt, redet, isst und lacht, sieht den Menschen und nicht in erster Linie den Fremden oder den Feind. Wer mit Fremden etwas gemeinsam erarbeitet – Sport, Musik oder ein Hilfsprojekt –, der lernt die Leistungen anderer zu schätzen. Und wer sich der Erfahrung aussetzt, in der Fremde zu Gast zu sein, weiß, wie anstrengend das sein kann – aber auch, wie bereichernd. Diese Erfahrung machen auch viele Kirchengemeinden, die Partnerschaften in anderen Ländern pflegen.
Gerade jetzt, in einer Zeit, in der die großartige Idee eines friedlichen, geeinten Europas Gefahr läuft, von Skeptikern, Nationalisten und Rassisten ausgehöhlt zu werden, sind solche Begegnungen wichtig wie nie zuvor. Im persönlichen Zusammentreffen wird deutlich: Wichtiger als politische, nationale oder religiöse Differenzen ist die Gemeinschaft, die so erlebt werden kann.
Natürlich werden dabei nicht alle Vorbehalte ausgeräumt. So werden sich unsere beiden jungen Gäste aus Polen gewundert haben über diese Familie, in der eine Pfarrerin und ein Pfarrer miteinander verheiratet sind. Ihrer Papstbegeisterung gegenüber blieben wir wiederum reserviert. Aber viel beeindruckender als diese Vorbehalte ist die Erkenntnis: Hier wie dort leben aufgeschlossene, freundliche, tolerante Menschen, und es ist selbstverständlich, ihnen Achtung, Verständnis und Wertschätzung entgegenzubringen.
Austauschprogamme und Partnerschaften lösen nicht alle Probleme Europas oder der globalisierten Welt. Aber sie können zur Völkerverständigung beitragen. Und das ist sehr viel.