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Zwei von drei mit Pflegesystem unzufrieden – Versorgung gefährdet

Den Pflegekassen geht das Geld aus. Die Sorge vor einer unzureichenden und unbezahlbaren Pflege ist daher in der Bevölkerung weit verbreitet. Die DAK warnt vor allem vor Engpässen in ländlichen Regionen.

Das Pflegesystem in Deutschland erhält schlechte Noten. Knapp zwei Drittel erleben das Pflegesystem als “nicht gut” oder “gar nicht gut”. Die weite Mehrheit, 92 Prozent, gehen davon aus, dass eine gute Pflege im Alter oder Krankheitsfall vom Geldbeutel abhängt; zwei Drittel erwarten sogar, sich keinerlei professionelle Pflegeunterstützung leisten zu können. Noch mehr fürchten, vor Ort schlicht keinen Pflegedienst zu finden. Zu diesem Ergebnis kommt der DAK-Pflegereport (Donnerstag), für den etwa 4.500 repräsentativ ausgewählte Personen zwischen 16 und 70 Jahren befragt wurden.

77 Prozent der Befragten fordern eine umfassende Umgestaltung des Pflegesystems. Gleichzeitig sinke das Vertrauen der Menschen in Politik und Pflegeversorgung. 85 Prozent finden, dass die Politik mehr im Bereich Pflege tun müsste. Denn etwa 60 Prozent der Befragten gehen von einer Verschlechterung der Lage aus.

Kurzfristig am dringlichsten sei eine finanzielle Stabilisierung der Pflegeversicherung, forderte DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Sie müsse schon mit der Aufstellung des Bundeshaushaltes im Juni angegangen werden. “Sie duldet keinen Aufschub”, betonte der Vorstandschef. Auch der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, mahnte in der “Rheinischen Post” (Freitag) mehr Tempo an.

Die DAK plädiert für einen Zwei-Stufen-Plan. Als erstes müssten die Corona-Hilfen von 5,2 Milliarden Euro in zwei Teilraten vom Staat an die Pflegekassen zurückgezahlt werden. Das habe die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) bereits angekündigt, erinnerte Storm. Ohne diese Finanzmittel sieht die DAK spätestens zum Jahreswechsel 2026 eine Beitragserhöhung um mindestens 0,3 Beitragssatzpunkte. In einem zweiten Schritt brauche es eine Strukturreform der Pflegeversicherung.

Nach aktuellen Berechnungen der DAK besteht in diesem Jahr ein Defizit von 1,65 Milliarden Euro, das sich voraussichtlich 2026 auf 3,5 Milliarden Euro verdoppeln werde. Die Zahlen sähen noch pessimistischer aus als die Berechnungen der gesetzlichen Krankenversicherung, sagte Storm. Bereits seit dem vergangenen Jahr überstiegen die Ausgaben die Einnahmen der Pflegeversicherung. Durch die starke Zunahme an Pflegebedürftigen und eine unzureichende Bereitstellung von Mitteln für Reformmaßnahmen gebe es einen wesentlich größeren Finanzierungsbedarf als von der Politik erwartet.

Es gehe künftig vor allem um eine gute Versorgung in der Fläche, sagte Sozialforscher Thomas Klie. Bislang gebe es ein schlechtes Nebeneinander von Beratungsstrukturen. Dabei sei für drei Viertel der Befragten Beratung wichtig; viele empfänden sie als hilfreich und unterstützend.

Auch künftig braucht es laut Klie bundesweit einen Mix aus professioneller und informeller Pflege in den Familien. Grundsätzlich müsse professionelle Pflege mehr Eigenverantwortung erhalten und aufgewertet werden. Klies Appell: Pflege müsse als vollwertiger Teil des regulären Gesundheitssystems gesehen werden.