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Zwei christliche Gemeinden im Visier des Verfassungsschutzes

Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg beobachtet zwei christliche Gemeinden wegen Queer- und Staatsfeindlichkeit. Eine von ihnen spricht bei Homosexualität von der Todesstrafe.

Der Verfassungsschutz hat zwei christliche Gemeinden aus Baden-Würrttemberg im Auge
Der Verfassungsschutz hat zwei christliche Gemeinden aus Baden-Würrttemberg im AugeImago / Bernhard Classen

Im Bericht des baden-württembergischen Verfassungsschutzes für das Jahr 2024 tauchen zwei christliche Gemeinden auf: die „Evangelische Freikirche Riedlingen“ im Landkreis Biberach und die „Baptistenkirche Zuverlässiges Wort“ in Pforzheim.

Die Gemeinde in Pforzheim, die ein Ableger der „Faithful Word Baptist Church“ in Arizona ist, steht seit Frühjahr 2023 unter Beobachtung. Kritisiert wird im Verfassungsschutzbericht eine „massive Queerfeindlichkeit, die unverhohlen in öffentlich frei zugänglichen Reden gepredigt wird.“ Außerdem äußere sich die Gruppierung antisemitisch, frauen- und demokratiefeindlich. So heißt es in der Lehrsatzung der Pforzheimer Gemeinde auf ihrer Homepage: „Wir glauben, dass Homosexualität Sünde und eine Schande ist, die Gott mit der Todesstrafe ahndet.“

Ermittlungen wegen Volksverhetzung gegen Gemeinden

Gegen die Hauptverantwortlichen der Kirche seien bereits mehrere Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet worden. Auch die Räumlichkeiten in Pforzheim seien durch die Polizei durchsucht worden. „Trotz dieser Maßnahmen mäßigten oder distanzierten sich die Verantwortlichen nicht von ihren Positionen“, heißt es im Verfassungsschutzbericht.

Die „Evangelische Freikirche Riedlingen“ wird seit Mai 2022 vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Ihr Prediger Jakob Tscharntke vermische „christlich-fundamentalistische Ansichten mit der Ablehnung des Staates und demokratisch legitimierter Entscheidungen“. Die hohe Reichweite der Gemeinde und das von Tscharntke initiierte „Netzwerk bibeltreuer Christen“ könne dazu führen, dass zuvor nicht extremistisch eingestellte Kirchenmitglieder und andere Personen radikalisiert werden, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2024. Der Youtube-Kanal der Gemeinde hat derzeit knapp 23.000 Abonnenten.

Prediger Jakob Tscharntke mit “extremistischen Positionen”

Tscharntke war bis Mitte der 90er Jahre Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, verließ die Kirche aber nach Querelen mit der Kirchenleitung und wirkt seitdem als freikirchlicher Pastor. Im Sommer 2024 habe es einen Richtungsstreit innerhalb der Gemeinde gegeben, der sich aber nach einer angekündigten Auszeit von Tscharntke für ihn entschieden habe. „Seine extremistischen Positionen bleiben somit prägend“, so der Verfassungsschutz.

Beide Gruppierungen sind auch für den Weltanschauungsbeauftragten der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Pfarrer Andreas Oelze, keine Unbekannten. „Bei beiden handelt es sich um jeweils unterschiedliche Extremfälle, die in keiner Weise für den Bereich der Freikirchen und freien Gemeinden repräsentativ sind“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage. Die „Evangelische Freikirche Riedlingen“ sei dabei für Christen mit einer freikirchlich sehr konservativ geprägten Frömmigkeit noch eher anschlussfähig, so seine Einschätzung.

“Baptistenkirche Zuverlässiges Wort” wegen Homophobie unter Beobachtung

Oelze erläutert weiter: „Jakob Tscharntke hat sich seit dem vermehrten Zuzug von Flüchtlingen 2015/2016 und dann noch einmal verstärkt während der Corona-Pandemie deutlich inhaltlich radikalisiert. Er vertritt in verschiedenen Predigten eine stark endzeitliche Sicht, nach der gesellschaftliche und staatliche Entwicklungen als teuflische Machenschaften gedeutet werden. Immer wieder äußert er sich in verschwörungstheoretischer Weise über staatliche und gesellschaftliche Institutionen so, dass diese damit klar delegitimiert werden.“

Die „Baptistenkirche Zuverlässiges Wort“ werde hauptsächlich „wegen ihrer menschenverachtenden Homophobie beobachtet, die inhaltlich wie auch in der Form weit über das hinausgeht, was in anderen christlich-konservativen Kreisen vertreten wird“, sagt der Theologe. „Man muss in diesem Fall tatsächlich von Hasspredigern sprechen.“

Die Pforzheimer Gemeinde sei dabei, so wie es aussehe, auch innerhalb des fundamentalistischen Spektrums in Deutschland isoliert und grenze sich selbst auch scharf von anderen Gruppierungen aus diesem Bereich ab, sagte der Weltanschauungsbeauftragte. „Immer wieder betont werden muss, dass diese Gemeinde nichts mit den normalen Baptistengemeinden, wie sie im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) organisiert sind, zu tun hat. Diese sind vielmehr eine seit Langem etablierte, gemäßigte Freikirche.“ Auch die „Evangelische Freikirche in Riedlingen“ ist laut Verfassungsschutz seit 2018 nicht mehr Teil des BEFG.