In nur drei bis vier Bildern brachten sie tiefe Lebensweisheiten aus Kindermund ins Bewusstsein von Millionen erwachsener Leser. Die schmunzelten – und waren für einen Moment ein echtes Stück weiter. Danke, Peanuts!
Millionen Herzen haben sie im Sturm erobert. Die Comic-Strips der “Erdnüsse” oder auch “Kleinzeugs”, wie die “Peanuts” übersetzt heißen, erzählen die Erlebnisse und Lebenserfahrungen US-amerikanischer Vorstadtkinder: pannenreich, lustig oder traurig, melancholisch oder auch philosophisch. Und autobiografisch obendrein.
Denn wie seine Hauptfigur Charlie Brown, der Junge mit dem großen runden Kopf, hatte auch ihr Zeichner Charles M. Schulz eine eher unglückliche und nachdenkliche Kindheit im Mittleren Westen gehabt; in Schule und Nachbarschaft konnte er so recht nicht reüssieren. Und wie Charlie Brown hatte er einen Mischlingshund als besten Freund. Er machte dennoch was aus seinem Leben. Doch vor 25 Jahren, am 12. Februar 2000, starb Charles M. Schulz.
Es war die Biografie eines nicht untypischen US-Amerikaners im frühen 20. Jahrhundert. Sein Vater Carl (1897-1986) war Friseur aus der Hansestadt Stendal in Sachsen-Anhalt. Als Panzergrenadier war Sohn Charles Monroe Schulz im Zweiten Weltkrieg an der Befreiung des KZ Dachau beteiligt. Später schuf er dann mit den “Peanuts” einen der amerikanischsten Comics überhaupt. Mehr als 17.000 Comicstrips hat er geschaffen, allesamt von A bis Z in Alleinarbeit. Im Oktober 1950 erschien der erste davon in sieben US-Zeitungen.
Helden gibt es viele in den Bildgeschichten der “Peanuts”; eigentlich gilt das für alle, könnte man sagen. Nachbar Linus – der mit der Kuscheldecke (im US-Original: Sicherheitsdecke), ist der kleine Bruder der mal garstigen, mal gnadenlosen Lucy. Er harrt Jahr für Jahr zu Halloween in einem großen Kürbisfeld aus und erwartet die Ankunft des “Großen Kürbis”, der die guten Kinder reich mit Geschenken belohnt.
Schröder, der Beethoven-Liebhaber mit seinem tragbaren Kinderflügel, der erfolglos von Lucy angeschwärmt wird. Pig Pen, der ewig schmutzige Nachbarsjunge, dem die Flöhe und Insekten nur so aus den Kleidern springen. Die altklug-bebrillte Marcie, die ebenso unglücklich in Charlie Brown verliebt ist wie die selbstbewusste, aber schulschwache Peppermint Patty, die Schulz nach dem Vorbild seiner Lieblingscousine gestaltete.
Auch seinem eigenen Kindheitshund “Spike” von damals hat der “Peanuts”-Zeichner ein charmantes Comic-Denkmal gesetzt. Der sehr außergewöhnliche Beagle Snoopy wurde Vorbild für Generationen sprechender Comic-Haustiere wie den Kater Garfield oder den Stofftiger Hobbes in Bill Wattersons “Calvin & Hobbes”.
Snoopy liegt am liebsten auf dem Dach seiner Hundehütte und träumt seine außergewöhnlichen Karrieren: ob als Flieger-Ass, Baseballstar oder Pfadfinder, ob als “Joe Cool”, Eistanztrainer oder “weltberühmter Supermarktkassierer”. Im Hauptberuf ist er aber einfach nur verfressen.
Snoopys Zwillingsbruder Spike lebt normalerweise zusammen mit einem Kaktus in der kalifornischen Wüste. Seine Hobo-Attitüde bringt er später auch folgenreich in die Hausgemeinschaft ein. Und dann ist da noch Woodstock, der kleine Vogelfreund und Sekretär von Snoopy, der auf der Maschine schreiben und stenografieren kann. Zum Dank darf er in Snoopys Pfadfindergruppe mitmachen.
Der Erfolg der Peanuts war durchschlagend. Immer mehr Zeitungsverlage wollten Charlie Brown und seine Mannschaft. 1975 erreichte Schulz in rund 1.600 Zeitungen etwa 90 Millionen Leser; die Zahl der Titel sollte bis Mitte der 80er Jahre noch auf 2.000 steigen. Zwischen 1969 und 1980 kamen mehrere Filme in die Kinos. Allein der Marketing-Erlös von “Peanuts”-Produkten hatte bis Anfang der 70er Jahre schon 150 Millionen Dollar erreicht.
Seit den 60er Jahren ließ Schulz auch immer häufiger die Tagespolitik Einzug bei den “Peanuts” halten. Das Schulgebet in den USA wurde thematisiert – und der Krieg. Erst lieferte sich Snoopy als Fliegerheld des Ersten Weltkriegs imaginäre Luftschlachten mit dem “Roten Baron”; dann stellten nachdenkliche Kinder Anfragen an den Vietnam-Krieg. 1983 folgte der preisgekrönte TV-Film “Was haben wir gelernt, Charlie Brown?”, der kindgerecht die US-Invasion 1944 in der Normandie erklärte. Ab 1993 zeichnete Schulz alljährlich zum “D-Day” (6. Juni) ein patriotisches Bild von Snoopy im Kontext des Zweiten Weltkriegs.