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“Zu wenig Verbindlichkeit”

Die Corona-Krise beeinflusst die Klimaschutz-Arbeit in den Kirchengemeinden und -kreisen im Norden. Eine Umweltmanagerin und ein Klimaschutzbeauftragter berichten von Problemen.

Sarayut_sy / Fotolia

Rendsburg/Breklum. Felix Scherer war der Müll einfach zu viel. In der Rendsburger Innenstadt organisierte der 18-Jährige, der gerade ein Freiwilliges Ökologisches Jahr beim Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde absolviert, zehn Helfer – und los ging’s zum „Schietsammeln“. Nach nur zwei Stunden waren zahlreiche Säcke gefüllt, die zur Deponie gebracht wurden. „Wer Müll sammelt, schützt damit indirekt auch das Klima“, sagt Scherer: Ein weggeworfener Zigarettenstummel verunreinige bis zu 60 Liter Wasser und werde erst nach fünf Jahren abgebaut.

Fast-Food-Packungen, Flaschen und Co sammelte bei der Aktion auch Julia-Maria Hermann ein. Sie leitet das Projektbüro „Grüner Hahn“, mit dem Ziel, den Klimaschutz im Kirchenkreis und in den Gemeinden voranzubringen. Ihre Zwischenbilanz ist allerdings ernüchternd: „Wir treten auf der Stelle, weil zu viel Verantwortung auf die Kirchengemeinden abgewälzt worden ist.“ Zudem erschwere die Pandemie eine Beratung vor Ort.

Auf Ökostrom umgestellt

Gut sei, dass nahezu alle Gemeinden im Kirchenkreis heute auf Ökostrom umgestellt hätten und dort LEDs statt Glühbirnen leuchteten. Sorgen bereitet ihr der Bereich der Gebäudebeheizung: „Wir haben fast nur Kirchen, bei denen das komplette Gebäude beheizt wird – das ist eine gigantische Energieverschwendung“, so Hermann. Bisher sei das damit begründet worden, auf diese Weise die Feuchtigkeit aus dem Gebäude herauszuhalten. Doch das sei der falsche Ansatz, warnt die Expertin: „Man muss die Feuchtigkeit aus der Kirche herauskriegen und dann die Besucher erwärmen. Der energetische Aufwand dafür ist um ein Vielfaches geringer.“

Julia-Maria Hermann

Besonders teuer sei das nicht: Die alten Heizkörper könnten demontiert, neue Sitzbankheizungen oder per Akku beheizbare Sitzkissen angeschafft werden. Müsse jedoch die Heizung ausgetauscht werden, sei man bei Investitionen „im mittleren bis höheren fünfstelligen Bereich“ – Summen, die offenbar viele Kirchengemeinden angesichts sinkender Kirchensteuer-Zuweisungen nicht aufbringen können.

Direkten Einfluss hat die Pandemie auf den Klimaschutz im Kirchenkreis Nordfriesland. Dort hat die Synode zwar gerade die Einrichtung eines Klima-Fonds beschlossen, mit dem ab sofort jedes Jahr 150.000 Euro für umweltfreundliche Heizungsanlagen bereitgestellt werden; doch tatsächlich stehen dieses Jahr nur 50.000 Euro direkt zur Verfügung, der Rest ist wegen erwarteter Mindereinnahmen vorerst gesperrt.

Warten auf Hilfen

“Viele Kirchengemeinden haben schon auf diesen Fonds gewartet“, sagt Matthias Marx, Klimaschutzmanager des Kirchenkreises. Geplant war, dass er Schritt für Schritt die 63 Gemeinden vor Ort kennenlernt, um das Thema Energie-Controlling in den Fokus zu rücken – das regelmäßige Ablesen und Übermitteln von Zählerständen. „In der ersten Welle habe ich drei Monate verloren“, schildert er. Seit der zweiten Welle, ab November 2020, fänden erneut keine Besuche statt. Stößt das Thema derzeit überhaupt auf Verständnis? Viele würden die Pandemie als Folge einer Überstrapazierung der Welt einordnen, so Marx: „Ich stoße überwiegend auf offene Ohren, weil gerade jetzt viele die Sinnhaftigkeit des Klimaschutzes sehen.“

Dass dieser aktuell ausgebremst wird, hat für Hermann damit zu tun, dass im Klimaschutzgesetz der Nordkirche zu wenig Verbindlichkeit enthalten sei. Das Gesetz legt eine Absenkung der Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2050 auf Null fest. „Es steht zwar da, was gemacht werden soll; aber wenn jemand es nicht macht, passiert nichts.“