Artikel teilen

Jenaer Jugendpfarrer König mit 70 Jahren gestorben

Der streitbare Theologe ist durch sein Engagement gegen Rechtsradikalismus bekannt geworden. Der ehemalige Stadtjugendpfarrer von Jena habe “viel und intensiv gelebt”, schreibt seine Tochter.

Zigarette, lange Haare, Rauschebart: Der Jenaer Jugendpfarrer  Lothar König ist gestorben
Zigarette, lange Haare, Rauschebart: Der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König ist gestorbenepd-bild / Matthias Rietschel

„Lothar König war eine unglaublich beeindruckende Persönlichkeit, ehrlich, dem Menschen zugewandt und immer konsequent gegenüber denjenigen, die die Menschenwürde einschränken“, sagt der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora, Jens Christian Wagner. Sein Engagement gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus sei beispielgebend gewesen. „Ohne ihn ist die Welt deutlich ärmer geworden“, fügt Wagner im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) hinzu.

Jugendpfarrer König: Unbequem bis in den “Unruhestand”

Zigarette, lange Haare, Rauschebart – der 2019 in den „Unruhestand“ gewechselte Pfarrer stach aus jeder Menge hervor. Nicht nur wegen seines Äußeren, sondern auch, weil er streitbar und oft unbequem war. Nach den Worten seiner Tochter und Thüringer Linken-Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuß war er „manchmal sogar ein ‘Arsch’, wie er selbst gesagt hätte“.

Mit seinem alten umgebauten VW-Bus samt Lautsprecheranlage setze er in den 2010er-Jahren den Ton auf den Thüringer und bundesweiten Kundgebungen gegen Rechts. Sein „Lauti“, wie er das Fahrzeug nannte, war ihm 2011 zwischenzeitlich sogar als „Tatwerkzeug“ eingezogen worden, als ihm die sächsische Justiz nach Protesten gegen Neonazi-Aufmärsche in Dresden den Prozess machte.

Vorwurf lautete schwerer Landfriedensbruch

König soll von seinem Kleinbus aus via Lautsprecher zu Gewalt aufgerufen haben. In der Folge gab es bei ihm Hausdurchsuchungen. Zeugenaussagen stellten sich später als falsch heraus, von der Anklage präsentierte Tonbandmitschriften entpuppten sich als wahrheitsfern. Seine Kirche stand hinter König, er wurde Thema bis in den Bundestag hinein. Es gab eine breite gesellschaftliche Solidaritätswelle. Im zweiten Anlauf wurde der Prozess gegen ihn 2013 gegen Zahlung einer Geldbuße von 3.000 Euro eingestellt.

 Der streitbare Stadtjugendpfarrer Lothar König musste 2013 vor Gericht
Der streitbare Stadtjugendpfarrer Lothar König musste 2013 vor Gerichtepd-bild / Matthias Rietschel

Unbequem war Lothar König zuvor und auch danach. 1954 in dem heute eingemeindeten Ortsteil Leimbach der Stadt Nordhausen geboren, geriet er schon als 15-Jähriger mit den Sicherheitsbehörden der DDR in Konflikt. Damals malte er „21. August ’68 Dubcek“ an eine Hauswand, um sich mit dem gewaltsam gestürzten Initiator des Prager Frühlings, Alexander Dubček (1921-1992), zu solidarisieren.

Der Zugang zum Gymnasium blieb ihm in der Folge verwehrt. Über den Umweg einer Lehre als Zerspanungsmechaniker fand er den Weg zum Studium der Theologie. Ab 1986 baute er in Merseburg und nach 1990 in Jena jeweils die evangelische Junge Gemeinde auf. Er bot Jugendlichen Schutzräume vor staatlicher Repression und engagierte sich für einen demokratischen Aufbruch im Osten.

König war Stimme gegen Rechtsextremismus in Thüringen

In Jena erlebte er die Radikalisierung der rechtsextremen Szene mit, aus der nach 1998 die Terrorgruppe des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) hervorging. Vor allem in den 2010er-Jahren wurde König als Stimme und Kämpfer gegen den Rechtsextremismus in Thüringen und darüber hinaus bekannt.

Aus den Auseinandersetzungen mit der rechten Szene trug der Pfarrer eine Narbe über dem rechten Auge davon – von einem Schlagring. Seine Warnungen vor den Rechtsextremen fanden zunächst wenig Gehör.

Königs Glaube war auch politische Verantwortung

Der Pfarrer behielt die linken und die christlichen, vor allem aber die suchenden Jugendlichen im Blick. Die Thüringer Landtagsfraktion der Linken würdigte König in einer ersten Reaktion als jemanden, der seinen Glauben auch als politische Verantwortung empfand. Er habe seine Prinzipien kompromisslos gelebt: „Sei es im Kampf gegen Faschismus oder im Einsatz für Geflüchtete – alles immer mit dem Ziel einer besseren Welt.“

Bis zuletzt war das Verhältnis zwischen König und dem Rechtsstaat von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Bemerkbar machte sich dies staatlicherseits in Drogenrazzien bei seinen Schützlingen. Fördergelder wurden gestrichen.

Und doch bleibt Wertschätzung von höchster Stelle: „Lieber Lothar“, schrieb Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Montag auf X: „Du warst mir ein guter Freund und kluger Ratgeber. Über 30 Jahre habe ich Deine Kraft bewundert und Deine Klarheit geschätzt. Ich verneige mich und wünsche Dir, dass Dir die Erde leicht sein möge.“