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Zeit zum Luftholen

Die Wochen vor Ostern nutzen viele Menschen, um Verzicht zu üben – auch Christian Hohmann und seine Frau Joy. Ihnen ist es wichtig, die Rituale mit Inhalt zu füllen

Wenn die Fastenwochen doch nur eine ruhige Zeit wären! Das wäre Christian Hohmann am liebsten. „Ich fände es gut, wenn da wenig kirchliche Veranstaltungen wären. Wenn die Aktivitäten heruntergefahren würden“, sagt der Pfarrer für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung in Bad Oeynhausen.
Er bedauert, dass es im Kirchenjahr in der Praxis oft nur wenig Unterschiede gibt. „Dabei könnte das Kirchenjahr so ein Schatz sein.“ Er verweist auf den Psychiater Carl Gustav Jung, der das Kirchenjahr als ein therapeutisches Instrument bezeichntet. „Alle Feste haben mit unseren Sehnsüchten und Lebensthemen zu tun – Heilung, Erlösung, Befreiung.“ Hohmann möchte die Fastenzeit nutzen, um Atem zu holen und sich auf das zu besinnen, was sein Leben ausmacht.
Seine Frau Elsie Joy dela Cruz, die von den Philippinen kommt, sieht das ähnlich. „Durch Rituale wie Süßigkeiten-, Fleisch- oder Alkoholfasten oder auch täglich eine halbe Stunde Stille, bereite ich mich auf Ostern vor.“ Sie ist der Ansicht, wenn in der Fastenzeit Veranstaltungen stattfinden, dann sollten sie auch mit dem Thema zu tun haben.
„Für mich ist es eine Zeit, in der ich mich selbst frage: Bin ich noch auf meinem Weg?“, sagt die Pfarrerin. Ihr ist es wichtig, sich klar zu machen, dass „wir jederzeit die Chance auf Veränderung, auf Neuanfang haben“.

Sich selbst reflektieren und überprüfen

Christian Hohmann berichtet von einem Kurs, den vier seiner Kolleginnen und Kollegen in Bad Oeynhausen anbieten: „Schweige und Höre – mit dem Herzen beten“. Daran nimmt er teil. Dazu gehört, dass er zu fünf wöchentlichen Abendveranstaltungen geht und sich täglich eine halbe Stunde Zeit gönnt zur Schriftbetrachtung. „Das ist gar nicht so einfach. Aber diese halbe Stunde will ich mir auch ermöglichen.“
Daneben sieht er wenig fern und versucht auf manchen Termin zu verzichten, um mehr Raum für andere Dinge zu haben. So will er zum Beispiel Zeit für Menschen haben, die Zuwendung brauchen. Bei all dem geht es ihm um innere Freiheit. Das heißt, er fastet zwar Süßigkeiten und Fleisch – ist da aber nicht so streng. „Wenn ich auf einer Geburtstagsfeier eingeladen bin, greife ich auch mal zum Kuchen oder zum Fleisch. Diese Freiheit nehme ich mir.“
Auch Elsie Joy dela Cruz fastet Süßigkeiten und Fleisch. „Mir ist es dabei wichtig, Essen wertzuschätzen. Auch einfaches schmeckt und macht satt.“ Überhaupt legt sie Wert darauf, sich und ihr Handeln in den Passionswochen mehr zu reflektieren. „Ich überlege, welche Termine notwendig sind. Was ich für mich und andere tue. Auch auf meine Worte achte ich. Manchmal ist es gut, erst einmal zu schweigen und mit mehr Bedacht zu reden.“
Ein besonderes Augenmerk legt das Ehepaar auf die Tage vor Ostern. Der Karfreitag und der anschließende Samstag sind für sie eine wichtige Zeit. „Da fahren wir vieles herunter“, sagt Christian Hohmann. „Wir hören keine Musik, nehmen uns Zeit für Stille und wollen uns bewusst auf Ostern vorbereiten.“ Die beiden letzten Tage der Fastenzeit sind für sie bedeutsam. „Ostersonntag ist dann ein richtiger Festtag.“