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Zehn Normale, bitte!

Über den Predigttext zum 7. Sonntag nach Trinitatis: Johannes 6, 30-35

Predigttext
30 Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, auf dass wir sehen und dir glauben? Was wirkst du? 31 Unsre Väter haben Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht (Psalm 78, 24): „Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.“ 32 Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. 33 Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. 34 Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot. 35 Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

Die Verkäuferin im Backshop war noch dabei, die angelieferte Ware aus den Körben auszupacken und in die Regale zu legen, als die erste Kundin in den Laden trat. „Was darf‘s denn sein?“, kam die übliche Frage, und die Frau antwortete: „Zehn normale.“ Worauf die Verkäuferin antwortete: „Normale haben wir hier nicht…“

Nun war klar, dass in diesem Fall Brötchen gemeint waren, aber dieser knappe Satz konnte natürlich auch schelmisch gemeint gewesen sein, denn in dem Stadtviertel leben viele unterschiedliche Menschen. Die Kundin war zunächst verdutzt, aber zeigte dann schnell auf einen Korb mit herrlich duftenden, krossen Brötchen, die sie haben wollte. „Ach, Sie meinen die einfachen“, sagte dann die Verkäuferin und packte eine Tüte voll.

Normale haben wir hier nicht

Die einfachen waren also die normalen! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. 15 verschiedene Brötchenvarianten waren vorhanden, aber die einfachen waren die normalen! Ist das tatsächlich so?
Eine kleine Alltagsszene, gewiss, aber vielleicht kann sie den Zugang erleichtern zu diesem Jesuswort: Ich bin das Brot des Lebens.

Im Johannesevangelium ist dieses Brotwort Jesu das erste von insgesamt sieben Ich-bin-Worten, die in ihrer Formulierung nicht zuletzt an die Szene am Berg Horeb erinnern, wo Mose auf seine Frage nach Gottes Namen die Antwort bekommt: „Ich bin, der ich bin“ (oder: Ich werde sein, der ich sein werde). Das hebräische Wort JHWH hat eine weite Bedeutung. (2. Mose 3,14).

In jener Wüstenzeit haben die Israeliten gelernt, dass es dieser Gott ist, der für die Lebensgrundlage auf dieser Welt sorgt. Zum Beispiel dadurch, dass er den Israeliten Manna vom Himmel schenkt (2. Mose 16).

Auch im Evangelium geht eine Versorgung der Menschen voraus. Rund 5000 sollen bei jener Speisung gewesen sein. Aber die wollen Jesus danach zum König machen, ein schreckliches Missverständnis. Sie haben sich satt gegessen, aber sie haben das Zeichen nicht erkannt. (6, 26). Das bestand und besteht darin, dass zu den Grundlagen des Lebens auch gehört, das Werk Gottes zu erkennen und den, der den Weg dahin ebnet, ja, der selber dieser Weg ist, Jesus. (6, 40)

Die Öffnung des Bewusstseins auf Gott hin bringt das Leben der Menschen wieder ins Gleichgewicht, hilft ihn, die Norm, das Normale zu finden, denn das überquellende Angebot für einen kleinen Teil der Menschheit bedeutet eben auch, dass für andere zu wenig da ist und Hunger herrscht.

Christus ermöglicht Brot für die Welt. Nimm so viel du brauchst, war eine gute Parole – aber wofür brauchst du den Überfluss? Es heißt nicht: Nimm, so viel du kriegen kannst oder dir einfach leistest, um dann doch das meiste wegzuwerfen. Die Wertschätzung der Lebensmittel wäre ein guter Anfang für Leben und Glauben. Und sie würde auch helfen, die Mitte und den Mittler des Lebens zu erkennen.

Und vielleicht hilft auch die kleine Anekdote dazu weiter, die vom Alten Fritz, sorry, von Friedrich II., König in Preußen, dem Großen, erzählt wird. Der hat zu seinen Tafelrunden öfter auch Untertanen aus dem einfachen Volk eingeladen. Das war in diesem Fall ein Pfarrer. Solche Auserkorenen wurden natürlich vorher vergattert, sich als Untertan nicht in die hochgeistigen Gespräche der Tafelrunde einzumischen „weil er davon nichts versteht!“ – wie erklärt wurde.

Nur das abschließende Tischgebet durfte der Pfarrer sprechen. Das war üblicherweise das Vaterunser. Und dabei hat er nur ein Wort umgestellt. Er sagte nicht: Unser täglich Brot gib uns heute, sondern: Unser heutiges Brot gib uns täglich! Bemerkenswert, in der Tat. Die Lebensverhältnisse zwischen oben und unten lagen schlimm auseinander.

Jener legendäre König hat jedoch nicht den Gast gerügt, sondern den Wink verstanden und hat in Preußen die Kartoffel eingeführt, damit jedermann seine eigene Lebensgrundlage aufbauen könne.