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ZDF-Weihnachtskrimi um einen toten Wurstfabrikanten

Ein schwerreicher Unternehmer, der kurz vor Weihnachten mit einem Messer im Rücken in seinem Büro liegt. Und eine Familie, in der jeder und jede verdächtig ist: Eine so unterhaltsame wie spannende Krimikomödie.

Ein Mord in einem abgelegenen, durch Schneemassen schier unerreichbaren Haus. Eine Gruppe von Verdächtigen, die sich bis zur Klärung des Todesfalls nicht fortbewegen darf vom Tatort, die aufeinander sitzen, sich gegenseitig beäugen und belauern: Wer war es? Es sind klassische Krimizutaten, die Drehbuchschreiber Magnus Vattrodt – Stamm-Autor des großen Matti Geschonneck – hier auf originelle Weise zu einer so unterhaltsamen wie spannenden Krimikomödie verarbeitet.

Das ZDF strahlt “Dahlmanns letzte Bescherung” am 22. Dezember von 20.15 bis 21.50 Uhr aus. Damit ist der Film ganze 5 Minuten länger als im streng durchformatierten Fernsehen üblich – eine höchst seltene Ausnahme und mithin eine Würdigung der hohen Qualität dieser Produktion durch den ausstrahlenden Sender. Als da wären: das raffinierte Drehbuch mit seinen präzisen, treffenden Dialogen, die elegante Inszenierung von Isabel Braak, die gelungenen Bilder von Maximilian Hoever.

All dies aber wäre nichts ohne die erstklassigen Schauspieler: Heino Ferch, Anja Kling und Jürgen Vogel spielen die Geschwister Dahlmann, die Kinder des schon bald nach ihrer Ankunft ermordeten Wurstfabrikanten Alfons Dahlmann, dargestellt von Thomas Thieme. Ulrike C. Tscharre, Maja Bons und Carol Schuler wiederum geben den jeweiligen Anhang der Geschwister, Margarita Broich die zweite Ehefrau des Patriarchen. Dazu kommt Adele Neuhauser als Mimmi: Alfons’ verstorbene erste Frau und Mutter seiner Kinder, die das Geschehen als Stimme aus dem Off beziehungsweise Totenreich begleitet – ein cleverer Schachzug. Außerdem Noemi Krausz und Dominic Marcus Singer als forsch (sie) respektive trottelig (er) auftretendes Dorfpolizistenduo, ferner Christopher Schärf als aalglatter Konkurrent Windemeyer sowie Walter Kreye als Dahlmanns Koch und bester Freund Karl.

Sie alle versammelt Drehbuchautor Vattrodt in einer gut austarierten Story, die jeder Figur ihren Raum gibt und mit wenigen Strichen jeweils überzeugende Rollenbilder zu zeichnen weiß: etwa den (adoptierten) Ältesten und Mustersohn Leander (Ferch), der noch immer mithilfe von Leistung um die Zuneigung des Alten buhlt. Die kratzbürstige und etwas selbstgerechte Therese (Kling), erfolgreiche Krimibuch-Autorin und liiert mit Emma (Schuler). Und den (vermeintlich) missratenen Jüngsten, Jochen (Vogel), der gerade erst aus dem Gefängnis entlassen wurde, in dem er wegen der Veruntreuung von Firmengeldern saß.

Kleiner, in ihrer Tragik aber besonders berührend, ist die Rolle von Viktoria (Broich): Dass sie die ehemalige Sekretärin des Alten ist und niemals auch nur ansatzweise die großen Fußstapfen der von allen idealisierten Mimmi ausfüllen können wird, lassen die drei Kinder sie bei jeder Gelegenheit spüren. Und nicht nur die: “Das Haus hasst mich!”, ist Viktoria überzeugt, wenn ihr mal wieder ein Kerzenleuchter oder eine Stehlampe wortwörtlich in den Rücken fallen.

Tatsächlich ist die tief im Wald gelegene Villa mit ihrem Eigenleben so etwas wie die personifizierte Mimmi. Aber auch die Figuren jenseits des engsten Familienkreises sind toll, etwa die von Noemi Krausz frisch und mit großer Präsenz dargestellte Dorfpolizistin Greta. Ihr Kollege wiederum ist zwar eindeutig nicht die hellste Kerze im Leuchter, wird aber dennoch nie der Lächerlichkeit preisgegeben – Singer spielt diese Balance ganz hervorragend.

“Dahlmanns letzte Bescherung” ist eine Produktion, die die Ambivalenzen von Heiligabend ganz gut zusammenführt: Da ist die Zuneigung zu seinen Figuren, die dem Film in jedem Moment anzumerken ist, ebenso wie die Spielfreude der Darsteller sowie die Leidenschaft für genaue Formulierungen und Sprachwitz, alles passend zum Fest der Liebe. Aber eben auch das Spiel mit der Fassade, um Schein und Sein, das diese Krimikomödie, in der stets irgendwo im Hintergrund Kerzen flackern, ohne dass jemals Gemütlichkeit aufkäme, zum trefflichen Weihnachtsfilm macht: Wann, wenn nicht zu Heiligabend hätten all die Blendwerke und polierten Oberflächen Hochkonjunktur?