Kirchen gelten neben ihrer konfessionellen Funktion als Rückzugsorte für alle Menschen – und das wollen und sollen sie sein. In Gotteshäusern findet man Ruhe und Raum für Andacht, Innehalten und Gebet. Rassismus und Diskriminierung sollten dort keinen Platz haben; vor Gott sollen alle Menschen gleich sein. Dass dem nicht immer so ist, zeigt die ZDF-Doku “Kirche ohne Rassismus?” am Montag, 9. Juni, um 17.30 Uhr. Zum Pfingstfest bietet der Film erschreckende Einblicke und Hoffnungsschimmer.
Bekanntlich hat Rassismus viele Gesichter; auch in der Kirche ist das so. People of Color erleben Alltagsrassismus und institutionelle Diskriminierung am Arbeitsplatz. Wie der Film zeigt, erhalten Schwarze nur selten Führungspositionen bei “Kirchens”. Immer noch kommen sie vermehrt auf Hungerplakaten oder bei Sammelaktionen vor.
ZDF-Doku: Betroffene wollen beteiligt werden
Betroffene werden laut für Veränderung, fordern mehr Beteiligung in den Kirchengremien – und die Kirche reagiert darauf. Trotzdem sind People of Color weiterhin rassistischen Äußerungen ausgesetzt. Für den Seelsorger Égide Muziazia haben diskriminierende Beleidigungen zum persönlichen Rückzug geführt, aber auch zu einer Solidarisierung im katholischen Bistum Münster.

“Meine Protagonist*innen machen auf Rassismus auch innerhalb der Kirche aufmerksam. Es geht mir darum, hinzuhören, sichtbar zu machen und den Finger in die Wunde zu legen – nicht um zu spalten, sondern um Brücken zu bauen”, sagt Susanne Böhm, die als freie Autorin und Regisseurin in Köln arbeitet. Ihr Interesse gilt vor allem Menschen, Wissenschafts- und Kulturthemen – “Kirche ohne Rassismus?” berührt mehrere Bereiche.
In der Recherche hat die Regisseurin festgestellt, dass es einmal mehr Zeit für eine Bestandsaufnahme ist: Besonders berührt hat sie, wie sie sagt, die Geschichte von Égide Muziazia. Eigentlich war geplant, dass er sich gemeinsam mit seinem Freund und Mitbruder Uchenna Aba vom Filmteam begleiten lässt. “Allerdings ging es ihm nach einem wiederholten rassistischen Angriff im Februar so schlecht, dass er beschloss, nicht vor die Kamera zu treten. Nun erzählen andere seine Geschichte”, sagt Böhm der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
ZDF-Doku über Kirche und Rassismus: Auch EKD kommt zu Wort
Im Film übernimmt diesen Part nun Uchenna Aba: Der Priester ist bestens integriert und in seiner Gemeinde beliebt. Als der 47-Jährige aus Nigeria in Deutschland ankam, hatte er allerdings Probleme mit der hiesigen Mentalität. Zum Beispiel im Gottesdienst: “Wenn man ganz neu hier ist, denkt man, das könnte eine Trauerfeier sein. Nur ernste Gesichter”. Sein Rezept dagegen zeigt der Film: Gospelgesang und mitunter Pommes für alle im Pfarrhaus nach der Messe. “Was wir in der Welt haben, ist genug für uns alle. Wir sollen Freud und Leid teilen und nicht einfach sagen: Ich, ich”, sagt der Seelsorger. “Dann wird die Welt bunter und schöner. Aber das haben viele Leute noch nicht kapiert.”
Auch die Kirchenhierarchie kommt im Film zu Worte: Der Münsteraner Weihbischof Rolf Lohmann hat sich sehr für Muziazia eingesetzt. Der Hamburger Bischöfin Kerstin Fehrs, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ist es ein großes Anliegen, strukturellen Rassismus in der evangelisch-lutherischen Kirche zu bekämpfen.
Pfingsten – guter Zeitpunkt für ZDF-Doku
Ausgewogen und mit Fingerspitzengefühl in der Darstellung ist Filmemacherin Böhm mit “Kirche ohne Rassismus” eine spannende Momentaufnahme gelungen. Sie hat für dieses Projekt “viele großartige Menschen getroffen, die sich dafür einsetzen, dass Kirche wieder ein Ort wird, an dem sich alle wohlfühlen können”, betont sie. Der Weg dahin ist offenkundig nicht leicht und oft schmerzhaft, aber das Weitermachen zählt.
Das Pfingstfest ist ein guter Zeitpunkt, um über dieses Thema nachzudenken. Pfingsten steht für die Kraft, die Menschen verbindet – über Herkunft, Sprache und Grenzen hinweg. Und weil Pfingsten auch Hoffnung bedeutet, sagt Susanne Böhm: “Ich möchte mit dem Film nicht spalten, sondern Brücken bauen. Ich zeige eine Kirche, die bereit ist, sich zu transformieren und Haltung zu zeigen, aufzustehen gegen Rassismus und Gewalt. Das macht Mut.”