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Zank um “Lumumba” und die “Tote Tante”

“Er wurde erschossen! Und ihr benennt ‘Kakao mit Schuss’ nach ihm!” Mit diesem Social-Media-Post begann 2023 in Deutschland eine leidenschaftliche Diskussion über ein Wintergetränk mit Sahne.

2023 entbrannte in den Sozialen Medien eine heiße Diskussion um das Weihnachtsmarktgetränk “Lumumba”. Knapp 63 Jahre und exakt 7.099 Kilometer Luftlinie entfernt von Élisabethville in Katanga, dem Ort der Ermordung von Patrice Lumumba (1925-1961), stieß sich Annalena Schmidt, politische Bildungsarbeiterin in Dresden, an der Bezeichnung des einschlägigen Getränks. Auf X schrieb sie: “Er wurde erschossen! Und ihr benennt ‘Kakao mit Schuss’ nach ihm!”

Hunderte, dann tausend Menschen stiegen auf das Thema ein. Und das Umspannwerk der Volksempörung, die “Bild”-Zeitung, heizte die Debatte weiter an und zitierte einen User: “Ich hoffe, dass das gesellschaftlich bekannt wird und man dann auf diesen Namen verzichtet.” Doch bei “Bild” versteht man auch, den Dingen einen Spin zu geben.

Und so drehte sich die Diskussion schon im Verlauf des Artikels buchstäblich weiter: “Das ist genau diese Art von Auseinandersetzung mit Rassismus, die den wirklich bedrohlichen und alltäglichen Rassismus in unserer Gesellschaft klein macht bzw. marginalisiert. Niemand trinkt einen Kakao mit Schuss mit rassistischen Hintergedanken.” Und am Schluss heißt es: “Leute, die versuchen, alles mit Rassismus in Verbindung zu bringen, sind auch ein Problem.”

Was also nun? Angeblich wurde bereits in den 60er Jahren “Lumumba” getrunken. Aber auch das kann man trefflich diskutieren: Machte man sich damit in Edel-Lounges europäischer Hauptstädte lustig? Oder wurde dort an einem pathetisch-linken Abend ein ideeller Held der Freiheit Afrikas geehrt? Ist ein Rassist, wer – ganz ignorant reinschüttend oder wissend und mit anerkennendem Lächeln – einen Kakao mit Rum und Sahnehaube trinkt? Und: Wer ist der Übeltäter – der Lumumba-Verkäufer oder der Konsument?

Ein quasi natürlicher Debattenvorschlag zur Lösung des Dilemmas greift wohl zu kurz. Denn das inkriminierte Getränk hat ja längst auch einen anderen Spitznamen. Fragt sich aber, ob sich damit der Moralin-Pegel senken ließe. In Norddeutschland, in den Niederlanden und Dänemark erinnert man sich an eine Legende von der friesischen Insel Föhr zurück: Dereinst sei eine Föhrer Insulanerin im fernen Amerika gestorben – und die Urne mit ihrer Asche sei in einer Kakaokiste nach Föhr zurückgekehrt. Seither stärkt man sich dort mit einer – “Toten Tante”.

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Zutaten für 2:

500 ml Milch100 Gramm Zartbitterschokolade8-10 cl brauner Rum1 Becher Sahne

Zubereitung

Milch kurz aufkochen und warm halten. Grob gehackte Schokolade zufügen und unter Rühren auflösen. Kakao in die Tassen füllen, je 4–5 cl Rum zufügen und mit einer dicken Schicht Schlagsahne abdecken. Durch die Sahnehaube trinken – niemals umrühren!