Sie muss eine Wucht gehabt haben, die Predigt, die der Theologe Jonathan Edwards vor einer Gemeinde am 8. Juli 1741 in Enfield/Connecticut gehalten hat: „Sinners in the Hands of an Angry God“. Wortgewaltig und bildhaft beschreibt der Prediger Gottes Strafgericht. Die berühmte Predigt ist ein Schlüsseltext des Great Awakening, der protestantischen Mobilmachung im noch jungen Nordamerika der britischen Kolonien. Sie zeigt die Macht von Sprache, die zu einer Zeitenwende führen kann.
Auch wir erfahren gerade einen Paradigmenwechsel. Seit dem Beginn des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt, erleben wir hierzulande eine verbale Aufrüstung, eine Militarisierung der Sprache, die sich in den politischen und medialen Debatten niederschlägt. Begriffe wie Zeitenwende, Kriegstüchtigkeit, Defensivwaffen, Taurus (vormals Expertenwissen) haben Einzug in den alltäglichen Sprachgebrauch gefunden.
Aufrüstung in der Sprache: Wann wird Putins Krieg “brutal”?
Auch sprachliche Diskreditierung gehört zum Status quo: Kriegstreiber, Putin-Versteher, Sofa- oder Lumpenpazifisten. Aussagen, wie jene Warnung von Sören Neitzel, Professor für Militärgeschichte, die er kürzlich in einer TV-Talkshow äußerte – „Das könnte unser letzter Sommer in Frieden sein“ – oder die allgemeine Diskussion über die Wehrpflicht. Und wird der Angriff Putins auf die Ukraine erst dann brutal, wenn man ihn als „brutalen Angriffskrieg“ bezeichnet?
Ja, die Bedrohungslage hat sich seit 2022 geändert. Und doch ist es wichtig, sich die Mechanismen einer Kriegsrhetorik, das Zusammenspiel von Sprache, Angst und Tat bewusst zu machen. Es nicht zu tun, ist naiv. Zu viele Beispiele der jüngeren bundesdeutschen Gegenwart beweisen, dass Herabwürdigungen im Internet, unsachliche und vergiftete Debatten um Asyl oder Corona, ob im Plenarsaal oder am Stammtisch, selten folgenlos für Individuum und Gesellschaft bleiben. Worte können Realität formen. Und im schlimmsten Fall öffnen sie einen Abgrund, wie die Propagandamaschinerie der Nazis oder der durch die monatelange Hetzkampagne eines Radiosenders vorbereitete Genozid in Ruanda 1994.