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Wo der Mensch nach 40 Tagen zu Erde geworden ist

Ein Verstorbener wird auf Heu, Blumen und Stroh gebettet. 40 Tage später ist sein Körper fruchtbare Erde. Reerdigung heißt diese neue Bestattungsart – in Deutschland gibt es sie nur in Mölln.

In diesem schwarzen Kokon wird der Mensch zu Erde
In diesem schwarzen Kokon wird der Mensch zu ErdeSven Krieger

Mölln / Berlin. Es ist ein Pilotprojekt in einem sensiblen Bereich: Reerdigung heißt eine neue Bestattungsart, die das Berliner Unternehmen Circulum Vitae entwickelt hat. Für die Entwicklung des Verfahrens ist die Firma bei der Natur in die Lehre gegangen sei: „Wir helfen ihr, das Geplante noch schneller umzusetzen“, sagt Initiator Pablo Metz sagt.

Für das Verfahren wird der Leichnam auf pflanzlichen Materialien gebettet und in einen zweieinhalb Meter langen, sargähnlichen Behälter aus Edelstahl gelegt, erklärt Metz. Dort geschehe eine „natürliche Transformation“, bei der körpereigene Mikroorganismen den Inhalt des Kokons innerhalb von 40 Tagen zu Erde verwandeln. „Ähnlich dem Verfahren der Feuerbestattung werden auch bei der Reerdigung übrig gebliebene Knochen- und Zahnreste gemahlen und der Erde wieder zugefügt“, so das Unternehmen.

Viel CO2 eingespart

Die Diskussion um den Klimawandel habe Metz zur Entwicklung der Reerdigung inspiriert. Denn es würden keine fossilen Brennstoffe benötigt, „der Prozess ist erdgasfrei“, so der Initiator. Unter Berücksichtigung aller Emissionen werde im Vergleich zu einer Feuerbestattung rund eine Tonne CO2 eingespart. Der benötigte Kokon werde nach einer Reerdigung gereinigt und erneut verwendet. Es sei Teil des Nachhaltigkeitsaspektes, nicht jedes Mal die Ressourcen für einen Sarg zu verbrauchen.

Pastorin Hilke Lage mit dem Friedhofs­beauftragten Bernd Jakob
Pastorin Hilke Lage mit dem Friedhofs­beauftragten Bernd JakobKristina Tesch

„Wir wollten einen Ansatz finden, der zu uns Menschen passt“, erläutert Pablo Metz. Dafür habe das Unternehmen unter anderem mit verschiedenen Religionsvertretern und Mitgliedern des Ethikrats gesprochen. Die Reerdigung gilt als Erdbestattung, es werde keine Gesetzesänderung benötigt. Die entstehende Muttererde wird auf dem Friedhof in einem klassischen Erdgrab beigesetzt. Sie sei zudem eine Alternative für Menschen, die sich mit dem Gedanken an eine Feuerbestattung ebenso wenig anfreunden können wie mit einer klassischen Erdbestattung im Sarg.


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Seit Februar wird die Reerdigung in Mölln angeboten. „Die Idee der Nachhaltigkeit hat uns überzeugt“, sagt Hilke Lage, Pastorin der Kirchengemeinde Mölln. Dieser Gedanke passe ebenso zum Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, wie zu den traditionellen Bestattungsformeln: „Erde zu Erde“ oder „Von der Erde bist du genommen, und zur Erde kehrst du zurück“.

Weitere Friedhöfe interessiert

In der Kapelle des Möllner Friedhofs ist für das Pilotprojekt ein sogenanntes Alvarium eingerichtet worden. Diese Bezeichnung sei im Möllner Pastorenkollegium entstanden, erläutert Hilke Lage. „Alvarium ist das lateinische Wort für Bienenstock“, das passe gut zum Prozess, in dem der Leichnam in den sogenannten Kokon gebettet wird, der in einer Wabe steht. „Zuerst kamen uns 40 Tage auch sehr lang vor“, gesteht Hilke Lage. Doch ein Endtermin helfe den Angehörigen. Außerdem finde die Begleitung auf Wunsch am Kokon statt – mit Andachten, Musik oder Gesprächen.

Mölln ist bundesweit der einzige Standort, an dem die Reerdigung angeboten wird. Auch andere Friedhöfe der Nordkirche hätten bereits Interesse angemeldet hätten, so Circulum Vitae. Dazu bestehe ein reger Austausch mit den zuständigen Personen der Nordkirche. Genaue Daten gebe es noch nicht. (epd)