Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordert mehr Zeit für eine gründliche Debatte über den Bau der Hafencity-Oper in Hamburg. Neben einem Moratorium brauche es eine Enquete-Kommission, teilte der Initiator der Initiative, Jürgen Zimmerer, mit. Ein externer Mäzen entbinde die Stadt nicht von ihrer Verantwortung, eine ordnungsgemäße Bedarfsprüfung und Machbarkeitsstudie unter Einbeziehung von Zivilgesellschaft und Wissenschaft durchzuführen, sagte der Hamburger Historiker. Der Milliardär Klaus-Michael Kühne will für den Bau der Oper am Baakenhöft bis zu 330 Millionen Euro zur Verfügung stellen, kürzlich wurde der Siegerentwurf vorgestellt.
Die Forschenden kritisieren, dass zentrale Fragen nicht geklärt seien. Die Notwendigkeit eines neuen Operngebäudes, die Vor- und Nachteile des Ortes und verschiedener Lösungen seien nicht ausreichend geprüft worden. „Im Fall der Baakenhafen-Oper werden angesichts der Aussicht auf eine Großspende alle gebotenen Abwägungen unterlassen und die normalen Abläufe außer Kraft gesetzt“, kritisieren die Forschenden aus den Bereichen Architektur, Erinnerungspolitik, Städtebau und Theater.
Die geforderte Enquete-Kommission soll relevante fachliche Expertisen systematisch einholen und abwägen. Neben den architektonischen Gesichtspunkten seien städtebauliche, soziale, erinnerungspolitische, akustische, historische und ästhetische Fragen zu diskutieren, hieß es. In einer Bedarfsanalyse sollten rückläufige Zahlen von Opernbesuchen einbezogen werden, zudem verkenne ein monofunktionales Gebäude die Bedürfnisse heutiger Theaterschaffender nach Flexibilität. Auch Fragen der Nachhaltigkeit sowie die Kosten für Erhalt und Sanierung des Opernhauses am Dammtorbahnhof seien nur unzureichend einbezogen worden, hieß es.
Der geplante Stiftungsbau werfe erinnerungspolitische Fragen auf: So sei der Baakenhafen einer der wenigen authentischen Täterorte für den Genozid an den Herero und Nama (1904-1908) im heutigen Namibia. Es müsse verhindert werden, dass eine angemessene Gedenkstätte durch einen Opernbau überschrieben werde. „Hier wird Geschichte weißgewaschen“, kritisierte Zimmerer. Problematisch sei zudem, dass der Stifter Kühne bisher die Vorwürfe intransparenten Umgangs mit der NS-Geschichte seines Unternehmens nicht ausräumen konnte, hieß es.