Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs gegen eine ehemalige Sekretärin des NS-Konzentrationslagers Stutthof ist die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen noch nicht beendet. Derzeit seien drei weitere Verfahren anhängig, sagte der Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, Oberstaatsanwalt Thomas Will, am Dienstag in Ludwigsburg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Beschuldigten seien allerdings zwischen 99 und 101 Jahre alt, ihre Verhandlungsfähigkeit stehe infrage.
In Hanau wurde laut Will ein ehemaliger Wachmann im KZ Sachsenhausen für seine Tätigkeit angeklagt, in Berlin ein Mann, der in einem Kriegsgefangenenlager als Wache gearbeitet hatte. Bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin geht es um eine Mitarbeiterin im KZ Ravensbrück. Aufgrund des hohen Alters der Tatverdächtigen seien weitere Verfahren zwar noch möglich, würden aber von Jahr zu Jahr weniger wahrscheinlich, sagte er. „Wir sind in der Schlussphase der Verfolgung.“
Der Leiter der Zentralen Stelle hält die Strafverfahren gegen sehr alte Menschen für gerechtfertigt. Die Politik habe entschieden, dass Mord nicht verjähre. Angesichts des Ausmaßes der NS-Verbrechen sei auch die „Förderung der Tötung“ durch die Arbeit als Wachmann oder in der Verwaltung zu ahnden. Will erinnerte daran, dass etwa im Konzentrationslager Auschwitz binnen zwei Monaten mehr als 400.000 ungarische Juden ermordet worden seien.
Die Grenze sieht der Oberstaatsanwalt da, wo die Angeklagten nicht mehr verstünden, was mit ihnen geschehe. Wo aber Verhandlungsfähigkeit gewährleistet sei, gebe es keine Altersgrenze für die juristische Verfolgung, betonte er.