Artikel teilen:

“Wir haben heute viel mehr Extreme”

Hartwig Schepker leitet seit knapp 20 Jahren den Bremer Rhododendronpark, die nach eigenen Angaben größte Pflanzensammlung dieser Art weltweit. Der 61-jährige Friesländer ist gelernter Gärtner, hat im Anschluss Gartenbauingenieurwesen studiert und im Bereich Pflanzenökologie promoviert. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) spricht er über die Herausforderungen, die der Klimawandel für große Parkanlagen mit sich bringt.

epd: Herr Schepker, in diesem Sommer wird es sicher wieder Situationen geben, in denen in Teilen Deutschlands wochenlang kein Tropfen Regen fällt. Wie ernst ist die Lage in den Parks und Gärten im Land?

Hartwig Schepker: Wir erleben eine Verschiebung von sommerlichen Temperaturen ins Frühjahr. In Norddeutschland kamen wir zwar bislang glimpflich davon, weil wir durch die Nähe zur Nordsee ein relativ ausgeglichenes Klima haben. Das hat sich aber geändert. Wir haben heute viel mehr Extreme. Wenn diese dann in einer Zeit auftauchen, in der die Pflanze nicht damit rechnet, zum Beispiel im Frühjahr, bedeutet das Stress und Schäden für sie. Statt zehn bis 14 Tage blüht sie dann vielleicht nur noch zwei bis drei Tage. Die Pflanze kriegt nicht genug Wasser aus dem Boden, um die Blüte in ihrer Festigkeit aufrechtzuerhalten. Sie verwelkt.

epd: Und Sie brauchen Unmengen Wasser, damit sie grün bleibt und überlebt. Ist das noch nachhaltig?

Schepker: Das muss man aus verschiedenen Positionen heraus betrachten. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es auch, den Park mit all seinen Funktionen zu erhalten. Ich denke an die rund 4.000 Bäume, die hier auf 46 Hektar Land stehen. Sie produzieren nicht nur Sauerstoff, sondern sorgen auch für eine Abkühlung des ganzen Stadtteils. Wenn wir hier im Park sitzen, haben wir teils Temperaturunterschiede von vier bis sechs Grad im Vergleich zum Café an der nächsten Straßenecke. Das ist enorm.

epd: Mit was für einem Wasserverbrauch kalkulieren Sie denn für die Sommermonate?

Schepker: Vor 15 bis 20 Jahren haben wir im Park und in den Schaugewächshäusern noch etwa 6.000 bis 7.000 Kubikmeter Regenwasser und oberflächennahes Grundwasser im Jahr vergossen. In Extrem-Jahren wie 2022 haben wir hingegen rund 42.000 Kubikmeter Wasser gebraucht. Das liegt daran, dass wir teils schon im April großflächig anfangen müssen zu wässern. Normalerweise würden sich unsere Gärtnerinnen und Gärtner zu dieser Jahreszeit noch gar nicht mit dem Thema beschäftigen.

epd: Wäre es angesichts dieser Herausforderungen nicht angezeigt, die Parkanlagen Deutschlands komplett neu zu denken. Kaktus statt Rhododendron also?

Schepker: Das ist tatsächlich schon seit vielen Jahren Thema in der Branche. In den 1970er Jahren, als es mit saurem Regen losging, haben sich die Rahmenbedingungen für Bäume und Pflanzen vor allem in den Städten bereits verschoben. Jetzt ist das nochmal richtig angeheizt worden durch die Trockenheit. Das Sortiment wird sich ändern, muss sich ändern. Wir brauchen heute Baumarten, die, anders als ein Kaktus, nicht nur winterhart sind, sondern auch trockenheits-, hitze- und sonnenverträglich. Das sind dann nicht unbedingt die heimische Birke, Fichte, Buche oder Eiche, sondern oft Bäume, die nicht aus Mitteleuropa kommen.

epd: Zum Beispiel?

Schepker: Unter diesen sogenannten Zukunftsbäumen, die wir aktuell ausprobieren, sind die Hickory-Nuss und Eichen aus Nordamerika, der Eisenholzbaum aus dem Vorderen Orient oder die Zelkove aus Japan.

epd: Gibt es auch gartengestalterische Anpassungen?

Schepker: Absolut. Vor 20 Jahren hätte ich noch unterschrieben, dass man ohne Probleme in Norddeutschland bestimmte Rhododendronzüchtungen in die volle Sonne pflanzen kann. Heute würde ich immer versuchen, Rhododendren und Azaleen so zu pflanzen, dass sie nur in den frühen Morgenstunden und abends Sonne bekommen. In den heißen Tagesphasen müssen sie durch benachbarte Bäume und andere Pflanzen beschattet werden. In die pralle Sonne kommen nur die trockenheitsverträglichsten Pflanzen. Sowas geben wir als Empfehlung auch in die Gartenbauwelt weiter. Die Gestaltung muss sich hier ändern.

epd: Haben alle Gärten und Parks hierzulande die gleichen Schwierigkeiten aufgrund der klimatischen Veränderungen?

Schepker: Es gibt definitiv regionale Unterschiede. Die Kolleginnen und Kollegen aus Leipzig reden immer von „ihrer Sandbüchse“ und der „ostdeutschen Wüstenlandschaft“. Sie sitzen teils im Windschatten von Mittelgebirgslandschaften. Da kommt noch weniger Regen an. Hier in Bremen hatten wir die vergangenen Jahre durchschnittlich 720 bis 750 Liter pro Jahr und Quadratmeter. Im Leipziger Raum liegen sie bei 500 bis 525 Liter. Das ist ein substanzieller Unterschied. Darauf muss man bei der Bepflanzung reagieren. Wenn dort Trockenperioden kommen, wird es dramatisch. In bestimmten Küstenbereichen oder Mittelgebirgslandschaften wie dem Sauerland oder in Teilen von Franken können sie hingegen noch relativ gut auf geeigneten Böden Rhododendren kultivieren.

epd: Wie schlägt sich Deutschland im internationalen Gärtenvergleich: Sind wir für die Zukunft gewappnet oder ist da noch Luft nach oben?

Schepker: Wir sind hier in allen Bereichen, die Parks, Gärten und Baumschulen betreffen, schon sehr hellhörig geworden. Das geht bei kleinen Stauden los, wo die Trockenheitsverträglichkeit ein großes Thema ist, bis hin zu den Zukunftsbäumen, wo es schon seit Jahren entsprechende Projekte gibt. Die Amerikaner sind uns, etwa was trockenheitsverträgliche Rhododendren angeht, aber voraus, weil es dort viele Regionen gibt, in denen es auch unabhängig vom Klimawandel im Winter extrem kalt und im Sommer extrem heiß wird. Von denen können wir was lernen.