Noch vor wenigen Wochen stöhnten die Menschen hierzulande über Hitze und Trockenheit, drohten Pflanzen zu verdursten und Bäche auszutrocknen. Nun ist das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen – und auch das passt vielen nicht. Dabei ist ohne Wasser auf Dauer kein Leben möglich, wie der Klimawandel eindrücklich zeigt. Grund genug, sich über den Regen zu freuen und nicht miesepetrig darüber zu jammern.
Schon 1975 widmete der niederländische Showmaster Rudi Carell dem verregneten Sommer den launigen Song “Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?”. Zuvor hatte es ähnlich widriges, nasskaltes Wetter zur Unzeit gegeben.
Frage der inneren Einstellung
Wetter gibt es immer; ob und wie Menschen sich damit anfreunden können, ist wohl auch eine Frage der inneren Einstellung. Manch einen gruselt die Vorstellung, bei Wassertemperaturen von kaum über 20 Grad mit viel Platz im Freibadbecken im Landregen seine Bahnen zu ziehen. Einsame Schwimmer erfreuen sich derweil vielleicht sogar am Anblick der auf der Wasseroberfläche einschlagenden Tropfen. Auch Gärtner lehnen sich entspannt zurück, wenn die Natur nun selbst für Bewässerung sorgt.
Für ZDF-Meteorologin Katja Horneffer gibt es “kein schlechtes Wetter, nur unpassende Kleidung”. Um sich mit dem derzeitigen Wetter zu arrangieren, empfiehlt sie, an den großen Nutzen von Wasser zu denken – und wieviel gesünder als Hitze und Trockenheit dieses feuchte und mäßig warme Wetter für Mensch und Natur sei. Im Übrigen erlebe Mitteleuropa momentan einen typischen Sommer: “wechselhaft mit Schauern und Gewittern und zwischendurch auch Sonnenschein”.
Zeit für ein gutes Buch
Horneffer findet Regenepisoden erklärtermaßen super: “Endlich komme ich zu den Dingen, die ich immer verschiebe, wenn das Wetter mich magisch nach draußen zieht.” Und noch etwas Gutes kann die Wetterexpertin den widrigen Bedingungen abgewinnen: Wenn die Menschen über den Regen schimpften, schaffe dieses “unpolitische Aufreger-Thema” ein Gemeinschaftsgefühl.
Wenn man keinen Hund vor die Tür schicken möchte, ist auch mal wieder Zeit für ein gutes Buch. Versöhnliche Töne stimmt Christian Sauers 2021 erschienenes Buch “Regen. Eine Liebeserklärung an das Wetter, wie es ist” an. Statt auf Unmut, Schimpfen und Vermeidungsstrategie setzt Sauer auf wohlwollende Konfrontation mit dem so wenig gemochten Gummistiefel- und Regenschirmwetter. Er möchte Regenspaziergänge nicht mehr missen.
Draußen erlebe er “ein kostbares Gefühl von Verbundenheit und Stimmigkeit”, eine “Gemeinschaft mit Wolken und Wasser, Landschaft und Leben”. Jeder Spaziergang ist für ihn eine Einladung, sich mit der Mitwelt zu verbinden. Für Sauer erzählt jeder Regentropfen “vom Geheimnis des Lebens”.
Wie wäre es mit einem Regentanz?
Gerade an milden Sommertagen können sich Jung und Alt auf das nasse Element getrost einlassen, findet auch Johanna Bartsch vom Institut für Naturerlebnis-Pädagogik CreNatur in Benediktbeuern. “Sich mal bewusst nassregnen lassen und das Wetter spüren”, lautet ein Tipp. “Wir werden davon nicht gleich krank, Klamotten werden wieder trocken.” Selbst wenn es im Urlaub einmal einen ganzen Tag lang regnen sollte, könne man sich vornehmen, draußen eine gute Zeit zu haben. Warum keinen Regentanz mit dem Nachwuchs aufführen oder voll Freude in Pfützen springen?
Mit Kindern könne man bei einer Wanderung im Regen “auf Entdeckerreise gehen”, so eine weitere Empfehlung von Bartsch. Eine Lupe gehört für sie deshalb unbedingt ins Gepäck. Kindern mache es Spaß, wie ein Forscher unter mit dem Vergrößerungsglas zu beobachten, wie Wassertropfen von den Blättern rinnen, welche Stellen des Bodens Wasser abbekommen oder wie Moos den Regen aufsaugt. Unkonventionell auch diese Idee: ein Picknick trotz Regen. “Wenn man eine Plane und ein paar Schnüre mitnimmt, kann man sie im Wald zwischen die Bäume spannen und sich darunter gemütlich zusammenhocken.”
Den inneren Schweinehund überwinden
Auch Erwachsenen tut aus Sicht des Wildnisführers Matthias Blaß mehr Tuchfühlung mit der Natur gut. “Wir haben uns in unserem beheizten und überdachten Leben bequem eingerichtet und sind es nicht mehr gewohnt, bei widrigem Wetter draußen zu sein.” Sein wichtigster Tipp: gar nicht erst drinnen lange nachdenken, wie es einem draußen ergehen mag, sondern den inneren Schweinehund überwinden und rausgehen.
Auch bei Wind und Wetter nimmt Blaß deshalb in seiner Naturschule Wildniswandern Kinder und Erwachsene mit in die Natur. Gerade bei vermeintlich schlechtem Wetter sei es wichtig, positive Erfahrungen zu sammeln. “Die Teilnehmer sind im Anschluss überrascht, wie gut ihnen der Aufenthalt draußen getan hat und wie unnötig ihre Bedenken waren”, sagt der Tübinger.
“Am Wetter kann man lernen, eine gelassenere Haltung anzunehmen”
Grund für Vorbehalte sei dagegen das Kopfkino. “Viele haben die Vorstellung, es würde den ganzen Tag regnen – aber das passiert nur an ein, zwei Tagen im Jahr.” An den meisten Tagen regne es etwa eine halbe Stunde etwas intensiver, im Anschluss folge meist eine längere Regenpause.