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Wie winzige Tröpfchen das Weltgeschehen prägen

Bleiben sie allzu lange aus, drohen Dürren und Ernteausfälle, ziehen sie dunkel und schwer heran, sind sie die düsteren Vorboten von Unwetter und Überschwemmungen. Der Blick hinauf zu den Wolken gehörte schon immer zum Alltag der Menschen. „Sie sind ganz entscheidend für das, was auf der Welt passiert“, sagt Martin Faass, Direktor des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt. Das Museum zeigt vom 22. August bis zum 11. Januar 2026 eine Sonderausstellung über die im Himmel schwebenden Ansammlungen von winzigen Wassertröpfchen oder Eiskristallen.

Gemessen an der großen Bedeutung für das Leben auf der Erde geben Wolken der modernen Wissenschaft bis heute erstaunlich viele Fragen auf. So sei noch immer nicht restlos geklärt, wann, wo und warum Wolken entstehen, berichtet Ausstellungskuratorin Daniela Matenaar. Probleme, genaue Prognosen zu liefern, gebe es insbesondere auf der südlichen Erdhalbkugel.

Auch die Frage, welchen Einfluss Wolken auf den Treibhauseffekt und die Erderwärmung haben, ist noch weitgehend offen. Denn einerseits kühlen sie die Erde ab, indem sie Sonnenstrahlen reflektieren, andererseits halten sie Wärme unter sich auf dem Boden zurück. Mit Flugzeugen, Satelliten und Radar sowie anderer komplexer Technik wie dem Wolkenlabor am Leipziger Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) versuchen Wissenschaftler, die Entstehung von Wolken, ihre Entwicklung und die Folgen für die Temperaturen auf der Erde vorherzusagen.

Dabei ist der Wunsch, mehr über die Wolken zu erfahren, wohl so alt wie die Naturwissenschaft. Schon der antike griechische Philosoph Aristoteles widmete sich in seiner Abhandlung „Meteorologica“ dem Himmelsphänomen. „Gott hat dem Wind befohlen, Wasserdampf in Form von Wolken in öde und wasserlose Länder zu treiben“, befand der persische Universalgelehrte Al-Biruni im 11. Jahrhundert. Als Ausgangspunkt der modernen Wolkenforschung gelten die Arbeiten des Briten Luke Howard, der Anfang des 19. Jahrhunderts die bis heute übliche Aufteilung der Wolken in die federförmigen Cirrus-, die große Flächen bedeckenden Stratus-, die haufenförmigen Cumulus- und die Regen bringenden Nimbus-Wolken vorschlug.

Alle diese Wolkenklassen zeigt das Museum seinen Gästen in Form von bis zu acht Meter großen Modellen – die maßstabsgetreu einem Stadtplan von Darmstadt gegenübergestellt sind. Die Herstellung sei eine große Herausforderung gewesen, schildert Museumschef Faas: „Man geht ja nicht einfach in einen Modellbauladen und kauft dort Material für Wolken ein.“

Ein Apparat, der wie ein vergessener Kopierer an einer Wand des Ausstellungsraums steht, bietet sogar die Möglichkeit, die Entstehung von Wolken live zu betrachten. Eigens für die Sonderausstellung hat das Landesmuseum eine sogenannte Wolkenkammer aufgekauft. Die Geräte, die Aerosole auf einer stark gekühlten Platte kondensieren lassen, waren einst in der Kernphysik weitverbreitet, um Elementarteilchen nachzuweisen. Mittlerweile werden sie fast ausschließlich zu pädagogischen Zwecken genutzt. Eine aus dem Prinzip entwickelte, mehrere Stockwerke hohe Simulationskammer zur Erforschung der Wolkenbildung, die von Darmstadt aus digital besucht werden kann, ist am Institut für Technologie in Karlsruhe im Einsatz.

Wer sein neues Wissen über die Wolken erst einmal verarbeiten will, kann zum Abschluss des Ausstellungsrundgangs nicht nur durch einen wolkenartigen Nebelgang schreiten, sondern in einem „Himmelszimmer“ über der Schau zuschauen, wie die an die Museumsdecke projizierten Wolken eines Tageslaufes im Zeitraffer über seinem Kopf vorbeiziehen. Nass wird dabei niemand.