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Wie “War Child” Kindern in und aus Konfliktgebieten hilft

Mehr als 400 Millionen Kinder stammen aus einem Kriegs- oder Konfliktgebiet. Die Organisation “War Child” will dazu beitragen, dass sie dennoch eine Zukunft haben – in den Konfliktländern selbst, aber auch in Deutschland.

Es ist mitten in der Nacht, als die achtjährige Mado durch das Geräusch von Schüssen geweckt wird. Rebellen sind in ihre Heimatstadt in der Demokratischen Republik Kongo eingedrungen. Weniger als 24 Stunden später wird ihr Vater als Geisel genommen. Mado und ihre Mutter fliehen in ein Lager für Geflüchtete im Nachbarland Uganda.

“Als wir hier ankamen, war Mado erschöpft, traurig und ängstlich”, erinnert sich ihre Mutter. Nach einiger Zeit nimmt sie an einem Lern- und Spielprojekt der Hilfsorganisation “War Child” (Kriegskind) teil. “Langsam verblassen Mados Albträume – sie beginnt sogar wieder von der Zukunft zu träumen”, heißt es im jüngsten Jahresbericht der Organisation. “Manchmal träume ich, dass ich in einem Krankenhaus arbeite, so wie meine Tante, die Ärztin ist”, berichtet Mado.

“War Child” will weltweit Kindern in und aus Konfliktregionen helfen. Die Organisation ist weltweit in 19 Ländern vertreten und hat nach eigenen Angaben allein im Jahr 2022 weltweit knapp 500.000 junge Menschen unterstützt. “Kein Kind hat je einen Krieg gestartet. Dennoch leiden Millionen Kinder unter den Folgen von Kriegen”, sagt der Geschäftsführer von “War Child Deutschland”, Dirk Reinsberg. “Unser Fokus sind mentale Gesundheit, Bildung und Schutz der Kinder.”

Die Organisation ist insbesondere in den Niederlanden und in Großbritannien sehr bekannt. Sie wurde während der Balkankriege gegründet. Die junge niederländische Friedensaktivistin Willemijn Verloop reiste damals nach Bosnien, um vor Ort Unterstützung zu leisten. In einem Kellerraum organisierte sie gemeinsam mit einem Musikprofessor Musikunterricht für Kinder, um ihnen zu helfen, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Beeindruckt von der Wirkung, gründete sie 1995 “War Child Holland”. Nach und nach kamen Ableger in weiteren Ländern hinzu, etwa in Kolumbien, Uganda und dem Südsudan, aber auch in der Ukraine und im Gazastreifen. “War Child Deutschland” entstand 2019 in Hamburg.

Kinder in Kriegsgebieten oder Flüchtlingsunterkünften können häufig nicht zur Schule gehen. Um ihnen trotzdem Bildung zu ermöglichen, verbreitet die Organisation etwa mithilfe lokaler Partner eine App, mit der die Kinder spielerisch Lesen und Rechnen lernen können. In speziellen Kursen will sie Eltern sensibilisieren, Konflikte und Stress nicht auf ihre Kinder zu übertragen. Für Dorfgemeinschaften gibt es Schulungen, wie sie dazu beitragen können, dass Kinder sicher aufwachsen. “Jegliche Interventionen werden mit den Menschen vor Ort vorher besprochen”, betont Geschäftsführer Reinsberg. “Zudem arbeiten wir mit lokalen Organisationen zusammen. Wir verstehen uns als Expertenorganisation und wollen nicht immer selbst direkt vor Ort sein.”

In Deutschland ist “War Child” mit seinem Projekt “TeamUp” aktiv. In Berlin und Hamburg gehen eigens ausgebildete Ehrenamtliche wöchentlich in Flüchtlingsunterkünfte und bieten Spiel- und Bewegungseinheiten an. Seilspringen, Fangen und Tanz gehören beispielsweise dazu. “Das Programm zeichnet sich durch Spiele und eine permanente Routine aus”, sagt Reinsberg. “Es ist so konzipiert, dass es weitgehend ohne Sprache funktioniert.”

Wie alle Projekte der Organisation werde auch “TeamUp” wissenschaftlich begleitet, so der Geschäftsführer. Studien zufolge seien nach einer 12- bis 14-wöchigen Teilnahme positive Effekte zu erkennen. “Die Kinder entwickeln ein besseres Selbstbewusstsein, sie schließen wieder Freundschaften und lernen, mit ihren Ängsten umzugehen.”

Im vergangenen Jahr hat “TeamUp” bereits den weltweit bedeutenden “Laureus Sport for Good Award” gewonnen. Am Dienstag wurde das Projekt in Hamburg mit dem bundesweit vergebenen Hanse-Merkur-Preis für Kinderschutz ausgezeichnet. Die Belegschaft des Versicherers wählte das Programm zum Gewinner des mit 5.000 Euro dotierten Mitarbeiterpreises.

Die Methode seines “TeamUp”-Projekts, das bereits in 26 Ländern zum Einsatz kommt, möchte “War Child” auch in Zukunft weiterverbreiten. In Deutschland gibt es laut Reinsberg Überlegungen, mit Schulen und Sportvereinen zusammenzuarbeiten. “Unser Ziel ist, dass es eine Weiterbildung gibt, die von anderen Organisationen weitergegeben wird. Das wäre toll.”