Die Nachricht vom Überraschungsangriff der Hamas am 7. Oktober kam um 8.15 Uhr während der Schulmesse. Sofort gab es Luftalarm; man sah die Flugbahnen der Raketen hoch über Jerusalem. Die Schülerinnen mussten umgehend in die Luftschutzkeller; alles verlief geordnet und reibungslos. Zwischen den Angriffswellen wurden sie evakuiert und nach und nach von den Eltern abgeholt. Bis zum frühen Nachmittag war die Schule komplett leer.
So beschreibt Dietrich Bäumer, Leiter der deutschen Schmidt-Schule direkt am Damaskus-Tor der Jerusalemer Altstadt, den dramatischen Tag. Es herrschte große Verunsicherung, ob und wie der Lehrbetrieb für die rund 500 Schülerinnen aus Jerusalem und Umgebung fortgesetzt werden könnte, die sich hier von der ersten bis zur zwölften Klasse in einem deutschen und einem arabischen Zweig auf das Abitur vorbereiten. “Es war schwer – aber letztlich haben wir es geschafft”, so der dynamische Pädagoge, der zuvor an der Deutschen Schule in Rom auf Posten war.
Normalisierung des Schulbetriebs
Inzwischen sei man wieder im Plan, habe Klausuren geschrieben und könne – falls nichts Unerwartetes dazwischenkomme – das Schuljahr samt Abiturprüfungen ordnungsgemäß abschließen. Möglich sei das nur gewesen, weil Schule, Lehrer und Eltern an einem Strang gezogen hätten.
Natürlich gab es anfangs tiefe Sorgen, ob der Schulweg für die Kinder nicht zu gefährlich sei. Aber bald setzte sich der Eindruck durch, dass ein regelmäßiger Betrieb die Schülerinnen vom Kriegsgeschehen ablenkt und die Eltern wieder ihre Arbeit fortsetzen können. Und zumindest in Ost-Jerusalem war die Lage dann nicht so dramatisch wie zunächst befürchtet.
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Bis zu einer Normalisierung des Schulbetriebs war jedoch ein weiter Weg; nicht nur für die vom Deutschen Verein vom Heiligen Land getragene Schmidt-Schule, sondern auch für die französische La- Salle-Schule in der Altstadt oder für die von Franziskanern geleitete Terra-Santa-Schule. Zunächst waren auf israelische Anordnung hin alle Schulen Jerusalems geschlossen.
Der Unterricht erfolgte auch online
Zu Beginn tauchten allenthalben Horrormeldungen über schreckliche Szenarien auf, falls im Norden eine zweite Front mit der Hisbollah eröffnet würde – woraufhin unter Ausländern eine “Fluchtbewegung” einsetzte. “In unserer Schule war es freilich nur ein Kollege, der seine Familie mit Kindern über Amman in Sicherheit brachte.” Ein zweiter folgte, ebenfalls aus familiären Gründen. Beide setzten sofort von Deutschland aus ihren Unterricht per Internet fort. Die übrigen 38 Lehrerinnen und Lehrer entschieden sich, weiter vor Ort im Dienst zu bleiben.
In dieser Phase hielt die Schule engsten Kontakt mit den deutschen Behörden, mit dem Auswärtigen Amt und der Zentralstelle Auslandsschulwesen; auch die deutsche Auslandsvertretung in Ramallah war eingeschaltet. Es gab regelmäßige Sicherheits-Meetings über das weitere Vorgehen sowie Abstimmungen mit den anderen christlichen Schulen der Stadt.
Nach 14 Tagen kam die Erlaubnis des israelischen Bildungsministeriums, die Schule wieder zu eröffnen. Seither findet der Unterricht wieder in Präsenz und regelmäßig statt. Allerdings haben es die Lehrer aus dem Westjordanland mitunter schwer mit einer pünktlichen Anreise. Die Wartezeit an den Checkpoints ist unberechenbar.
Schmidt-Schule sei gut eingestellt
Einmal gab es einen Trauertag an der Schule, nach der Bombardierung in der Nähe des Shifa-Krankenhauses in Gaza. Bei Wünschen von Eltern nach weiteren Schulschließungen für Gedenktage oder Teilnahme an Streiks verwies die Schulleitung auf die Vorgaben des deutschen Schulsystems zu Schultagen und Stundenzahlen. Mit den Eltern einigte man sich auf andere Wege des Gedenkens. Es gibt Schweigeminuten; und zu Unterrichtsbeginn haben die Schülerinnen Gelegenheit, Fragen zu stellen oder über ihre Ängste und Sorgen zu sprechen. Auch die Lehrerkonferenzen seien mitunter höchst emotional, berichtet Bäumer.
Allerdings hat es die Schmidt-Schule gleich mit drei Institutionen zu tun: Neben den deutschen Behörden muss sie sich auch mit den israelischen und palästinensischen Bildungsbehörden kurzschließen; das funktioniere aber problemlos, betont Bäumer. Offensichtlich schätze man dort die Arbeit und finde sie wichtig. Bildung sei ein “wichtiges Geschäft für eine gute und ideologiefreie Erziehung, mit der man später beruflich seinen Weg finden kann”.