Papst Franziskus hat die Fassung der Vaterunser-Bitte „führe uns nicht in Versuchung“ kritisiert. Dies sei „keine gute Übersetzung“, sagte er in einem Interview des italienischen Senders TV2000. Es sei nicht Gott, der den Menschen in Versuchung stürze, um zu sehen, wie er falle. „Ein Vater tut so etwas nicht; ein Vater hilft sofort wieder aufzustehen. Wer dich in Versuchung führt, ist Satan“, so der Papst.
Franziskus verwies auf einen Beschluss der französischen Bischöfe, die offizielle Übersetzung zu ändern. In katholischen Gottesdiensten in Frankreich lautet die betreffende Bitte seit dem ersten Adventssonntag: „Lass uns nicht in Versuchung geraten“.
Die Reaktionen der katholischen und der evangelischen Kirche in Deutschland sind zurückhaltend bis ablehnend. Die beiden katholischen Theologieprofessoren Gerd Häfner (München) und Thomas Söding (Bochum) etwa lehnen eine Veränderung ab. Auch der evangelische Theologe Christoph Kähler sieht keinen Bedarf für eine Änderung des Vaterunsers. Der Theologe und frühere Thüringer Landesbischof leitete die Überarbeitung der Lutherbibel 2017. 70 Theologen haben den Bibeltext binnen fünf Jahren geprüft, überarbeitet und teilweise neu übersetzt.
Sie haben die Revision der Lutherbibel 2017 geleitet. War die Stelle „Und führe uns nicht in Versuchung“, die der Papst gern überarbeitet sehen möchte, auch für Sie ein Thema?
Eigentlich nicht, weil es die korrekte Übersetzung ist. Die Lutherbibel, die katholische Einheitsübersetzung und die reformierte Zürcher Bibel übersetzen diese Stelle genau so. Das ist sprachlich richtig, außerdem gutes Deutsch. Deshalb war klar, dass der Passus so bleibt.
Der Papst stört sich daran vor allem aus theologischer Sicht. Können Sie das als Pfarrer nachvollziehen?
Ja. Dass sich die Menschen daran stören, kenne ich aus meinen Gemeinden. Viele Menschen bevorzugen einen liebenden Gott. In dieser Hinsicht ist die Bibel aber mehrdimensional. Zum Beispiel leitet Gottes Geist Jesus in die Wüste, damit der Teufel ihn in Versuchung führt. Das Ringen mit Gott über das Leid und das Böse ist Teil christlicher Theologie. Deshalb würde ich auch aus theologischer Sicht nichts am Vaterunser ändern.
In Frankreich ist das Vaterunser verbindlich umgeschrieben worden. „Und lass uns nicht in Versuchung geraten“, heißt es nun. Bedeutet das, als Pfarrer darf man das Vaterunser nicht so beten, wie man möchte?
Man hat wenig Spielraum, nicht nur aus rechtlichen Gründe. Erlaubt ist, zur Verständnishilfe andere Übersetzungen heranzuziehen, aber sie als Gebetstext zu verwenden, wäre nicht weise. Die Gemeinde fällt beim Vaterunser in den Wortlaut mit ein, der auch Katholiken und Protestanten gemeinsam ist. Was Änderungen betrifft, ist deshalb Vorsicht geboten. Auch in Frankreich geschah die Umformulierung nicht von heute auf morgen. Meines Wissens nach war sie jahrelang geplant. epd/KNA