Frankfurt a.M. (epd). Charlie Brown ist ein ewiger Pechvogel, trainiert die vermutlich schlechteste Baseballmannschaft der Welt und traut sich nicht, dem rothaarigen Mädchen aus der Parallelklasse zu gestehen, dass er gerne das Pausenbrot mit ihr teilen möchte. Ein «Loser» ist er laut Zeichner Charles M. Schulz (1922-2000) aber nicht – sondern ein Junge voller Hoffnung und auch ein Träumer, zumindest ein Tagträumer.
Am 2. Oktober wird die «Peanuts»-Bande um Charlie Brown, seinen Hund Snoopy und Lucy 70 Jahre alt. An diesem Tag im Jahr 1950 erschien in sieben Tageszeitungen in den USA – in Washington, Chicago, Minneapolis, Allentown, Bethlehem, Denver und Seattle – zum ersten Mal ein Comic-Strip mit dem Titel «Peanuts». Autor und Zeichner Charles M. Schulz schilderte fortan über fünf Jahrzehnte lang täglich die Widersprüchlichkeiten menschlichen Lebens anhand einer Gruppe US-amerikanischer Vorstadtkinder.
Die «Peanuts» (deutsch: Erdnüsse/Kleinkram) wurden für Schulz ein Riesenerfolg. Als er am 12. Februar 2000 starb, war der Comic weltweit in 2.600 Zeitungen erschienen; insgesamt waren es zu Hoch-Zeiten 75 Länder mit Hunderten Millionen Lesern und Leserinnen. Auch heute noch sind die «Peanuts» als täglicher Comic in deutschen Tageszeitungen zu lesen. Nach Schulz' Willen sollte der Strip mit seinem Tod enden, wurde später aber dennoch fortgeführt.
Der frühere amerikanische Präsident Bill Clinton nannte Schulz «ein amerikanisches Heiligtum – ein Künstler, Philosoph und scharfer Beobachter der menschlichen Natur». Einer seiner Amtsnachfolger, Barack Obama, erklärte: Was den «Peanuts»-Schöpfer so genial mache, sei, «dass er die Kindheit mit all der zarten Komplexität betrachtet hat, die sie verdient.»
Für den deutschen Illustrator und Schriftsteller Martin Baltscheit war Schulz «ein Comiczeichner, dessen wunderliche Arbeit darin bestand, eine Figur zu erschaffen, die an meiner Stelle lebt, leidet und die Welt erfährt, daran zu Grunde geht und wieder aufersteht. Jeden Tag.»
Zu der Peanuts-Welt gehören neben Charlie Brown der Beagle Snoopy auf dem Dach seiner Hundehütte, die kratzbürstige Lucy und Linus, der Philosoph mit der Schmusedecke. In vielen Strips tauchen auch der musikalische Schröder mit seinem schwarzen Kinderpiano auf, Charlie Browns kleine Schwester Sally, die spröde Marcie und der winzige gelbe Vogel Woodstock – ein philosophischer Widerpart von Snoopy. Mit dem Auftritt des afroamerikanischen Jungen Franklin, dem nicht mehr
die damals üblichen Klischees anhafteten, schuf Schulz 1968 außerdem den ersten Comic-Strip, in dem die Rassentrennung aufgehoben war.
Wunderbar für «Peanuts»-Fans ist es etwa, wenn Linus hinter seinem Schnuckeltuch versteckt seufzt und der genervten Lucy erklärt, dass Seufzen sogar biblisch sei: «Ebenso nimmt sich der Geist unserer Schwachheit an. Wir wissen ja nicht, wie es sich gehört, zu beten. Da tritt der Geist selbst für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern», zitiert er aus der Bibel. Auch Charlie Brown hat im Verlauf der 70 Jahre manche Erkenntnis von sich gegeben. Etwa: «Es heißt, wenn man ein besserer Mensch wird, führt man auch ein besseres Leben.»
Peanuts-Schöpfer Schulz meldete sich während des Zweiten Weltkriegs zur US-Armee und gehörte zu der Division, die das Konzentrationslager Dachau befreite. Nach dem Ende des Krieges fand er als Lutheraner Arbeit in einem katholischen Verlagshaus und schrieb zunächst Sprechblasen-Texte für ein frommes Comic-Heft.
Einige Jahre lang erteilte er auch Unterricht in einer methodistischen Sonntagsschule. Daran erinnert vielleicht die Episode der «Peanuts», in der Sally Charlie Brown verrät, welcher Schreck ihr an dem Tag in die Glieder gefahren war: «Wir haben heute in der Schule gebetet!»
Beide Seiten in dem damals in den USA tobenden Kulturkrieg um das Schulgebet wollten diesen Strip in ihrer Propaganda verwenden. «Beiden verweigerte Schulz die Abdruckgenehmigung», erklärte Patrick Bahners in dem 2005 erschienen Buch «Peanuts – Klassiker der Comic-Literatur». In einem Interview sagte Schulz einmal auf die Frage, ob er religiös sei und noch in die Kirche gehe: «Ich glaube nicht, dass Gott angebetet werden will. Wir erweisen Gott die größte Ehre, wenn wir liebevoll miteinander umgehen.»