Oldenburg / Kiel. Der Name Hollensteiner ist in Oldenburg kein unbekannter. Die Gründung vieler sozialer Einrichtungen wie Kindergarten, Sozialstation und Volkshochschule gehen auf Karl Hollensteiner zurück, der von 1876 bis 1906 als Hauptpastor, danach als Propst in der Stadt im Ostholsteinischen wirkte. Sogar ein Fußweg ist nach ihm „Hollensteiner-Gang“ benannt. Aber Johanna Maria Friederike Hollensteiner? Über die Frau des ehemaligen Propstes war wenig mehr als ihr Name bekannt. Bis sich Ursula Palm-Simonsen auf Spurensuche begeben hat.
„Bei einer Bemerkung unseres Kirchenarchivars wurde ich hellhörig“, berichtet die ehrenamtliche Geschichtsforscherin. In dem harten Winter 1885/86 soll es bei den Hollensteiners eine Kindervolksküche gegeben haben. In der Chronik, die sich Palm-Simonsen aus dem Archiv besorgte, ist zu lesen, dass Johanna Hollensteiner im Dezember 1885 ihre Waschküche geräumt, elf junge Helferinnen engagiert, über einen Presseaufruf Sach- und Geldspenden eingeworben und innerhalb weniger Tage die Verpflegung von mehr als 70 bedürftigen Kindern organisiert hat. „Mit getrennten Essenszeiten für Jungen und Mädchen gelang es den Frauen, den Andrang zu bewältigen“, erzählt Palm-Simonsen. Nebenbei versuchte die damals 45-jährige Hollensteiner, den jungen Gästen Manieren beizubringen. „Die Kinder müssen alle gewaschen und gekämmt erscheinen“, vermerkt die Chronik.
"Wie eine Schnitzeljagd"
Um mehr über diese Frau herauszufinden, stürzte sich Palm-Simonsen in die Recherche. „Das war wie eine Schnitzeljagd – immer, wenn ich dachte, jetzt geht es nicht mehr weiter, hat sich eine neue Tür geöffnet.“ In der Nähe von Stuttgart tat sie das Familienarchiv der Hollensteiners auf, korrespondierte mit einer Enkelin des Propstes aus dessen zweiter Ehe. Die schickte ihr ein Foto von einem Grabstein. „Den habe ich dann hier tatsächlich auf dem alten Kirchhof gefunden, versteckt unter Bäumen. Das war ein Highlight!“ Nur ein Bild von Johanna Hollensteiner fand sich nicht.
Doch auch ohne Foto ist ihr die Frau, die gut hundert Jahre vor ihr gelebt hat, vertraut geworden. „Sie hat sich einer Aufgabe gestellt, ohne zu wissen, wie es ausgeht. Sie übernahm Verantwortung aus ihrem Glauben heraus – und sie hat einfach Organisationstalent bewiesen“, sagt Ursula Palm-Simonsen, die selbst Sozialarbeiterin und ehrenamtlich sehr engagiert ist. Im Katalog zur Ausstellung „… von gar nicht abschätzbarer Bedeutung“ stellt sie „ihre“ Johanna jetzt vor.
Die Ausstellung präsentiert die Ergebnisse des Projekts „Frauen schreiben Reformationsgeschichte“, zu dem das Frauenwerk der Nordkirche gemeinsam mit der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek aufgerufen hatte. Dabei forschten Interessierte aus allen Kirchenkreisen der Nordkirche eineinhalb Jahre lang nach Frauen aus ihrer Gegend, die reformatorisch gewirkt haben.„18 von ihnen – Vorkämpferinnen der Reformation im Norden, Theologinnen, Missionarinnen, Diakoniegründerinnen und andere Engagierte aus den vergangenen fünf Jahrhunderten – sind in der Ausstellung zu sehen“, sagt Projektleiterin Kerstin Klein.