Artikel teilen:

Wie Depressionen und Einsamkeit zusammenhängen

Einsamkeit ist ein wachsendes Problem – und betrifft auch depressive Menschen. Wer Einsamkeit für eine Ursache für die Erkrankung hält, irrt jedoch: Laut Fachleuten handelt es sich vielmehr um ein Symptom.

Betroffenen zuhören, Arzttermine vereinbaren und begleiten, sich über die Krankheit informieren: Auf diese Weise kann man Menschen mit Depressionen möglicherweise helfen. Ihr habe das Signal aus ihrem Umfeld geholfen: “Es ist ok, dass du gerade nicht ‘funktionierst’, aber wenn du reden möchtest, lass es uns gerne wissen”, sagt Laura.

Wie ihr geht es vielen depressiv Erkrankten: Rückzug von anderen Menschen oder von Hobbies seien keine Zeichen von Lieblosigkeit oder “Sich-gehen-lassen”, sondern Folge der Erkrankung. Das betont die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention, die am Dienstag in Berlin das siebte “Deutschland-Barometer Depression” vorstellte. Demnach hatten nur 28 Prozent der Menschen in Deutschland noch keinerlei Berührung mit dem Thema Depressionen. 24 Prozent der Befragten berichteten von einer eigenen Diagnose, 19 Prozent vermuten bei sich eine Depression, 40 Prozent sind Angehörige von Erkrankten.

Viele Menschen hielten Schicksalsschläge, Stress oder auch Einsamkeit für die Ursachen von Depressionen. “Das ist aber nicht richtig”, betont der Stiftungsvorsitzende Ulrich Hegerl. Depressionen seien keine Reaktion auf schwierige Lebensumstände, sondern als eigenständige Erkrankung klar zu unterscheiden etwa von Trauer oder Überforderung durch Beziehungskonflikte. “Betroffene fühlen sich dauerhaft angespannt und oft zugleich wie versteinert, manche berichten von schwersten Schuldgefühlen”, so Hegerl.

Das Thema Einsamkeit, das seit der Corona-Pandemie auf mehr öffentliches Interesse stößt, hänge mit Depressionen durchaus zusammen. Unter den depressiven Menschen fühle sich jeder Zweite (53 Prozent) sehr einsam; auch viele depressiv Erkrankte mit relativ vielen Sozialkontakten berichteten davon. “Sogar im Kreise der Familie oder Freunde haben viele Menschen in der depressiven Krankheitsphase das quälende Gefühl, von Umwelt und Mitmenschen abgeschnitten zu sein”, erklärt Hegerl. “Sie fühlen sich isoliert wie hinter einer Milchglasscheibe.”

Zugleich wolle man sich in diesen Phasen oft “die Decke über den Kopf ziehen”, so Hegerl. Die Einsamkeit sei also gewissermaßen in die Erkrankung eingebaut: So erklärte mehr als die Hälfte der depressiv erkrankten Befragten (58 Prozent), nur sehr wenige Sozialkontakte (0 bis 4 an einem durchschnittlichen Wochentag) zu haben. Dies sei oft eine Folge des sozialen Rückzugs, über den wiederum 82 Prozent berichten. Als Gründe dafür wurden den Angaben zufolge Krankheit und Erschöpfung (89 Prozent) genannt, Sehnsucht nach Ruhe (85 Prozent) sowie das Gefühl, eine Belastung für andere zu sein (68 Prozent).

Insgesamt fühlt sich jede vierte Person in Deutschland sehr einsam, wie es weiter hieß. Dies sei häufig unabhängig von der Zahl der tatsächlichen Sozialkontakte. Dazu zählen im Barometer direkte private Kontakte, die auch per Chat stattfinden können.

86 Prozent der Befragten zeigten sich überzeugt, dass heute mehr Menschen einsam seien als vor zehn Jahren. Gelegentliche Situationen, in denen man sich einsam fühle, sieht Hegerl indes nicht als Warnzeichen für eine depressive Erkrankung: “Phasen mit diesem Gefühl erlebt jeder, das ist normal.”

Bemerkenswert sei auch, dass ältere Menschen entgegen landläufiger Annahmen nicht besonders häufig von Einsamkeit betroffen seien. Trotz einer geringeren Zahl an Sozialkontakten erleben Menschen zwischen 60 bis 69 Jahren nach eigenen Worten seltener große Einsamkeit. 40 Prozent von ihnen gaben an, an einem durchschnittlichen Wochentag zwischen gar keinem und vier Sozialkontakten zu haben, doch nur 21 Prozent fühlen sich regelmäßig sehr einsam. Bei den Jüngeren (18 bis 59 Jahre) haben nur 22 Prozent so wenige Sozialkontakte, jedoch berichten 26 Prozent von starken Einsamkeitsgefühlen.

Hegerl betonte, Depressionen seien gut behandelbar – diese Möglichkeiten würden jedoch zu häufig nicht genutzt. Er riet Betroffenen, sich Hilfe beim Haus- oder Facharzt zu suchen. Nach dem Abklingen der Erkrankung kehrten auch die Lust und Energie zurück, um soziale Kontakte zu pflegen.