Einekirchliche Castingshow?Ja, etwas in der Art wird es beimKirchentaggeben. Aber keine Sorge. Gesucht wird kein Popstar und auch kein Topmodel, sondern eine innovative Idee.Kirchliche Projekte aus ganz Deutschland treten zum Wettkampf an. Den Sieger bestimmt das Publikum. Diese und weitere interessante Veranstaltungen stellt Constance Bürger vor.
Von Constance Bürger
Am Kirchentags-Samstag wird Sabrina Greifenhofer eine von etwa 1000 Menschen zwischen Fernsehturm, Marienkirche und Rotem Rathaus in Berlin-Mitte sein – nicht als Touristin, auch nicht als Kirchentags-Besucherin, sondern als Helferin im Zentrum Zukunft.Kirche.Berlin. Die Berliner Theologiestudentin wird vormittags eine Gruppe des Weltcafés mit dem Titel „Ach, du bist Christ? Und was macht man da so?“ moderieren. „Was halten die Besucher des Kirchentages von der Zukunft der Kirche? Wie wollen sie sie gestalten? Was muss Kirche ändern?“, sind dabei Fragen, die für sie im Mittelpunkt stehen werden. Die 26-Jährige wird eine Gruppe von Besuchern durch die Diskussion führen und die wichtigsten Punkte zusammentragen. „Bei diesem Format können mehrere Menschen ihre ganz persönliche Meinung äußern. Das finde ich spannend“, sagt sie. Jeder Besucher soll die Chance erhalten, sich Gehör zu verschaffen. Und dabei Kirche neu erlebbar zu machen. Das ist das Ziel des landeskirchlichen Zentrums Zukunft.Kirche.Berlin. Seit einer Weile tüftelt ein 14-köpfiges Projektteam aus der EKBO an Konzepten und Ideen, wie mehrere hundert Besucherinnen und Besucher aktiv ihre Erfahrungen zusammenbringen und austauschen können. Die Fäden in der Hand hält Arlett Rumpff, eine der beiden Kirchentagsbeauftragten der EKBO. Alle Teilnehmer sollen sich vom Kirchentags-Donnerstag bis Samstag beteiligen und miteinander ins Gespräch kommen können – auch mit Hilfe von Tennisbällen und Ziegelsteinen.
Normalerweise sind Zahlen, Statistiken und Datenbanken Alltag für Tabea Langguth. Sie ist für den Bereich Statistik der Landeskirche und die EKBO-Datenbank zuständig. Derzeit schreibt sie aber nebenbei viele E-Mails an sechs Kirchengemeinden aus ganz Deutschland. Denn am Kirchentags-Freitag trifft man Tabea Langguth „In der Höhle der Löwen“ – „eine Show mit Publikumsbeteiligung“, wie sie sagt. Manch einer erinnert sich eventuell an die gleichnamige VOX-Sendung, in der Unternehmer ihre originellen Geschäftskonzepte potenziellen Investoren vorstellen. Freitagvormittag stehen sechs innovative Kirchengemeindeprojekte im Mittelpunkt – dann geht es zum Beispiel um Torten und Käse. Die sechs Kirchengemeinden aus Niedersachsen, Baden-Württemberg, Sachsen, Berlin und Nordrhein-Westfalen werden sich dem Kirchentags-Publikum stellen müssen. Mit 800 Tennisbällen stimmen die Teilnehmer dann ab, welches Projekt am praxistauglichsten ist. Für „In der Höhle der Löwen“ haben sich etwa 30 Projekte aus ganz Deutschland beworben. In der Projektgruppe wurde viel darüber diskutiert, ob es kirchlich ist, die Projekte in Konkurrenz zueinander zu setzen, sagt Tabea Langguth. Aber man war sich einig, dass man kritisch nachfragen muss, damit sich Kirche für die Zukunft finden kann. Die Mitarbeit beim Kirchentag ist für Tabea Langguth eine ganz neue Erfahrung. „Jetzt lerne ich neue Menschen und Projekte kennen, die zeigen, wie Kirche anders sein kann.“ Ums Anderssein geht es auch Pfarrer Tobias Kuske aus der Berliner Kirchengemeinde Prenzlauer Berg-Nord. Für ihn wird am Freitagnachmittag zum Kirchentag eine Frage im Mittelpunkt stehen: „Ist das noch Kirche oder kann das weg?“ Er wird die Veranstaltung unter diesem Namen mit moderieren und die Teilnehmer unterstützen, sich auf den Prozess einzulassen. „Sie können dann aktiv zwei Stunden lang an den nächsten 100 Jahren Kirche mitbauen – ohne Sanktionen“, sagt Tobias Kuske. Dafür können sie mit Ziegelsteinen eine Kirche bauen. Jeder erhält zwei Ziegelsteine mit einer Größe von 3x5x8 Zentimetern. Auf den einen soll man schreiben, was man in der Kirche für wichtig hält. Auf den anderen kann man schreiben, was weg kann. Den Ziegelstein zerschlägt man dann einfach. Und aus den übrigen Ziegelsteinen bauen alle zusammen eine Rundkirche von 2×2 Metern. Im Innenraum der Kirche wird eine Reproduktion des „Healing of Memory“-Kreuzes aus Hildesheim platziert. Das Kreuz mit einer Größe von 40×40 Zentimetern wird vom EKD-Bevollmächtigen Martin Dutzmann zur Verfügung gestellt.
Kuske ist davon überzeugt, dass es für viele attraktiv sei, auch mal mitzuentscheiden und zu zeigen, was sie an Kirche schätzen – oder eben nicht. So soll „ein schönes und unterschiedliches Bild, worauf wir stehen wollen, entstehen“, sagt Kuske. Er hat sich schon Gedanken gemacht, was er dann auf die Ziegelsteine schreiben würde. „Kirchengemeinden müssen immer alles machen“, bedauert er und fügt hinzu: „Wir sind kein Supermarkt.“ Deshalb würde er einen Ziegelstein mit „Quantität“ beschriften. Und den zertrümmern. „Qualität“ wiederrum ist für ihn ein zentraler Baustein für die Zukunft von Kirche. So erlebt er es auch in seinem Umfeld. Die Kirchengemeinde
Prenzlauer Berg-Nord gehört im Altersdurchschnitt der Gemeindeglieder zu den jüngsten Kirchengemeinden in ganz Deutschland. Kuske wird immer wieder darauf angesprochen, warum die Kirchengemeinde den Fokus nicht mehr auf die Kinder- und Jugendarbeit lege. Damit auch alles reibungslos funktioniert, sucht Arlett Rumpff derzeit noch Helferinnen und Helfer – sei es um die Ziegelsteine zu platzieren, um die Tischtennisbälle zu verteilen oder zum Beispiel, um die Begriffe auf den Ziegelsteinen ins Smartphone einzusprechen – damit sie später sortiert und intensiver diskutiert werden können. Warum es sich lohnt? „Man ist dann einfach dabei“, sagt Rumpff. Außerdem benötigt sie noch 20 bis 40 Moderatorinnen und Moderatoren für die Inseln der Begegnung, die es zum Abend der Begegnung und über den gesamten Zeitraum im landeskirchlichen Zentrum Zukunft.Kirche.Berlin gegeben wird. Dort können Besucher bei einer Art Speed Dating aufeinandertreffen. Auch Helferin Sabrina Greifenhofer wird als Moderatorin bei den Inseln dabei sein. „Das ist keine schwierige Aufgabe, aber eine sehr schöne, denn ich trage dazu bei, dass die Kirchentagsbesucher eine Möglichkeit haben, Menschen kennenzulernen, von denen sie ohne uns Helfer nie erfahren würden. Die Inseln der Begegnung erleichtern allen, herauszufinden mit wem sie den Kirchentag feiern.“