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Westbalkan entfernt sich von EU

Sechs Westbalkan-Länder streben eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union an. Etliche davon bereiten den Diplomaten nun Kopfzerbrechen. Hat Südosteuropa eine Zukunft in der EU?

Die EU und Südosteuropa sind in den vergangenen Tagen politisch voneinander weggerückt. Zwar sei die EU-Erweiterung wieder zu einer Priorität für Brüssel geworden, resümierte Balkan-Experte Vedran Dzihic am Wochenende. Doch am Westbalkan sei das diesbezügliche Bild “viel düsterer, bestenfalls gemischt”.

Als Beispiel nannte der Politikwissenschaftler der Universität Wien Nordmazedonien. Das Land erlebte vergangene Woche einen Rechtsruck; sowohl in der Parlamentswahl als auch bei der Präsidentenwahl setzten sich Kandidaten der rechtspopulistischen Oppositionspartei VMRO-DPMNE durch. Am Sonntag leistete die erste Präsidentin des Landes, Gordana Siljanovska-Davkova, den Eid auf die “Republik Mazedonien” – zum Ärger der EU und Griechenlands, mit dem Nordmazedonien 2018 durch Umbenennung einen jahrelangen Namensstreit beigelegt hatte. Griechenlands Botschafter verließ aus Protest die Zeremonie. Der Europäische Auswärtige Dienst äußerte Bedauern darüber, dass Siljanovska-Davkova nicht den verfassungsgemäßen Namen “Nordmazedonien” verwendet habe.

Missstimmung herrscht auch über Serbien und Kosovo. Serbien hofierte vorige Woche den chinesischen Präsidenten Xi Jinping und kündigte eine Ausweitung der Zusammenarbeit mit dem autoritär regierten China an. Unterdessen steigt in Kosovo der Druck auf die Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti, eine Sonderverwaltungszone für die serbische Minderheit auszurufen. Dies ist laut einigen Diplomaten Voraussetzung für Kosovos Aufnahme in den Europarat, auf die Kurtis Regierung hofft.

Bereits im April hatten die EU-Spitzen grünes Licht für eine Mitgliedschaft Kosovos im Europarat gegeben. Die endgültige Entscheidung soll bei einem Außenminister-Treffen in dieser Woche fallen. Berlin und Paris sollen sich dem Vernehmen nach für eine Verschiebung der Abstimmung eingesetzt haben. Auf der Tagesordnung stand das Thema eine Woche vor dem Treffen jedenfalls nicht. Vielleicht um zusätzlich Druck auszuüben? Der deutsche Botschafter in Pristina, Jörn Rohde, signalisierte gegenüber kosovarischen Medien: Die Agenda für das Treffen könne “in letzter Minute” noch geändert werden. Je eher die Kosovo-Regierung eine Serben-Provinz ins Leben rufe, desto größer seien die Chancen auf einen Sitz im Europarat.

Kopfzerbrechen bereitet einigen Beobachtern auch das jüngste EU-Mitglied Kroatien. Dort kündigte Ministerpräsident Andrej Plenkovic vor wenigen Tagen eine neue Regierungskoalition mit der rechtsnationalen Heimatbewegung (DP) an. Die EU-Skeptiker setzten im Wahlkampf auf nationalistische Themen wie die Eindämmung von Migration; Kroatien liegt am Ende der sogenannten Westbalkan-Route.

Diese bleibt laut der EU-Grenzschutzbehörde Frontex hinter der zentralen Mittelmeerroute die zweitaktivste Migrationsroute des Kontinents. Seit Herbst kommt es neuerlich zu verschärften Grenzkontrollen zwischen Italien, Kroatien, Slowenien und Österreich. Kroatien wird schon länger vorgeworfen, Migranten durch illegale Pushbacks über die Grenze nach Bosnien-Herzegowina zurückzudrängen.