Gott ist der Erzähler mit den ungeahnten Wendungen, die geniale Pointe von Ostern wird auch die Pointe unsererGeschichte sein.
Von Florian Kunz
Russland zu Sowjet-Zeiten. Wie alle Dorfbewohner ist auch eine alte Babuschka am Ostersonntag in das Gemeinschaftshaus gegangen. Dort hält ein Redner der Kommunistischen Partei einen Vortrag. Er will beweisen, dass das Christentum eine überholte und wissenschaftlich unhaltbare Sache sei. „Ich stehe hier“, beschließt er seine Rede. „Wenn es Gott gibt, soll er auf der Stelle einen Engel schicken, der mir zum Beweis meines Irrtums eine Ohrfeige gibt.“ Stille im Saal. Das Gesicht des Redners verzieht sich zu einem breiten Grinsen. Plötzlich ein Stuhlknarren. Schritte schlurfen nach vorn. Die Babuschka baut sich vor dem Redner auf: „Einen Engel hat Gott gerade nicht zur Verfügung. Engel haben nämlich Wichtigeres zu tun. Aber er hat mich geschickt.“ Und sie gibt ihm eine schallende Ohrfeige. Der ganze Saal lacht und der Redner verlässt mit rotem Kopf fluchtartig den Saal. Da ruft die Babuschka triumphierend in die Menge: „Christos waskress!“ – „Christus ist auferstanden.“ Und wie mit einer Stimme antworteten die Dorfleute: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“ (Volkstümlich aus Russland)Wer zuletzt lacht, lacht am besten, weiß der Volksmund. Es kommt darauf an, wie die Geschichte ausgeht, was sie für eine Wendung nimmt. Eine gute Pointe kommt überraschend, konterkariert die Erwartungshaltung, verblüfft. Und dann ist das Gelächter groß.
Ostern kriegen Tod und Teufel ihr Fett wegWer zuletzt lacht, lacht am besten! Das könnte auch das Motto von Ostern sein. Denn Ostern ist die Geschichte mit der unerwarteten Wendung, das Beste kommt zum Schluss. Könnte es eine genialere Pointe als das leere Grab geben? Nach Leid und Tod, Trauer und Furcht hat die Freude das letzte Wort, Auferstehungsjubel bricht sich Bahn, bricht die Grabeshöhle auf und von Kummer verkrustete Herzen auch. Das Lukasevangelium endet mit dem Worten: „Die Jünger aber kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.“ Wer zuletzt lacht, lacht am besten. In diesem Satz steckt auch immer ein Moment von Satisfaktion, oder anders ausgedrückt: ein Ätschi-Bätsch-Reflex. „Mal sehen, wer am Schluss am längeren Hebel sitzt! Mal sehen, wer dann die Lacher auf seiner Seite hat!“ Auch das gehört zu Ostern. Ostern kriegen Tod und Teufel so richtig ihr Fett weg, werden schallend ausgelacht. Nichts könnte sie schlimmer kränken, denn sie haben wie alle Diktatoren keinen Humor. Seit dem Spätmittelalter ist dies im Brauch des Osterlachens lebendig. In der orthodoxen Kirche ist es bis heute üblich, sich beim Ruf „Der Herr ist auferstanden …“ vor Freude auf die Schenkel zu klopfen. Wenn da einer nicht mitmacht, ist es erlaubt, ihn so lange zu knuffen und zu kitzeln, bis er ins Lachen mit einstimmt. Das ist natürlich alles viel zu sinnlich und derb für ernsthafte protestantische Gemüter. Dennoch hat sich das Osterlachen klammheimlich auch ins evangelische Gesangbuch geschlichen. Der Refrain von EG 103 ist ein Halleluja, das wie ein glucksendes Lachen klingt: „Hallelu-ja – haha, halleluja – haha, hallelu-ja.“Wer zuletzt lacht, lacht am besten! Im Lachen bricht eine wohltuende Distanz auf zu mir selbst und allem, was sich in der Welt als groß und wichtig aufdrängt. Wer in den Auferstehungsjubel einstimmt, spricht der Macht des Faktischen und den Mächten des Bösen das letzte Recht ab. Sie sind seit Ostern schon besiegt. Das Dunkle und Traurige des Lebens hat nur eine vorläufige Qualität. Es kommt darauf an, wie die Geschichte ausgeht. Gott ist der Erzähler mit den ungeahnten Wendungen, die geniale Pointe von Ostern wird auch die Pointe unserer Geschichte sein. Dann hat das Leben das letzte Wort und am Schluss wird Freude herrschen. Kann sein, Gott schickt auch mal handgreifliche alte Damen, um uns daran zu erinnern.