Hamburg. Julia Ginsbach zeichnet einen schwarzen Strich aufs Papier, dann noch einen, und schon blickt ein wütender kleiner Junge vom Flipchart. Die Zeichnerin verpasst ihm noch Strubbelhaare und rote Ohren, „weil er so wütend ist“, erzählt sie den Kindern im Raum. Etwa 25 Kinder von 5 bis 14 Jahren hören ihr gespannt zu, als sie die Geschichte des Jungen erzählt.
Er heißt Olgun und ist von seiner Erzieherin ungerecht behandelt worden. Sie hat ihn angeschrien und hart angefasst, weil er Geschirr zerbrochen hat. Dabei war es ein Versehen und keine Absicht. Jetzt ist Olgun stinksauer, aber er schämt sich auch. Erst seine Freundin Lisa kann ihn überzeugen, der Erwachsenen zu sagen, dass sie sich nicht richtig verhalten hat, denn: „Das war nicht okay“, sagt Julia Ginsbach den Kindern im Raum. Mit diesen Worten, die an diesem Nachmittag so oft wie nur möglich wiederholt werden, sollen die Kinder lernen, für ihre Rechte einzustehen.
"Müller-Rödinger, die blöde Kuh!"
Der Ausspruch ist auch der Titel des neuen Kinderbuches, das die Stiftung Alsterdorf Assistenz Ost im Restaurant „Kesselhaus“ vorgestellt hat. Gekommen sind nicht nur Mütter und Väter mit ihren Kindern, sondern auch die Illustratorin und Autorin des Buches, Julia Ginsbach. Etwas mehr als ein Jahr hat sie in Absprache mit der Einrichtung an der „Mutmachgeschichte“ gearbeitet.
Seit 2012 müssen Einrichtungen ein Schutzkonzept für die Kinder haben, die sie betreuen. Die evangelische Stiftung hatte bereits ein Plakat, auf dem Kinder nachlesen können, welches Verhalten von Erwachsenen sie nicht hinnehmen müssen. „Wir haben uns aber auch ein Buch gewünscht, das man kleineren Kindern vorlesen kann“, sagt Michael Ollech von der Stiftung. Thema: Wenn Mitarbeiter sich falsch verhalten und Grenzen überschreiten. So kam man auf Julia Ginsbach, die zusammen mit der Schauspielerin Veronica Ferres bereits mehrere Kinderbücher wie „Fass mich nicht an!“ oder „Nein, mit Fremden gehe ich nicht!“ veröffentlicht hat.
Julia Ginsbach ist nicht nur Illustratorin und Autorin. Beim Lesen des Buches wird sie auch zur Alleinunterhalterin, die die Aufmerksamkeit der Kinder fesselt. In verschiedenen Stimmlagen trägt sie das Buch vor und lässt Olguns Wut deutlich werden: „Die Müller-Rödinger, die blöde Kuh!“, schimpft sie. Die Kinder sollen lernen: „Das war wirklich nicht okay von der Müller-Rödinger.“