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Wenn ein Stern die Richtung weist

Ein neues Jahr – und die alte Frage: Was wird es bringen? Ein Mutmacher-Text für den Schritt ins Unbekannte

Neugier, Wissensdurst oder die Hoffnung auf ein besseres Leben: Es gibt viele Gründe, um Altes hinter sich zu lassen und ins Neue aufzubrechen. Die Bibel erzählt von Menschen, die es gewagt haben – und davon, was sie mit Gott erlebt haben.

„Bist du verrückt geworden?“ Diesen Satz werden die Magier der Weihnachtsgeschichte häufiger gehört haben. Von ihren Frauen oder Vätern, ihren Freunden, Nachbarn und Geschäftspartner. „Du lässt hier alles stehen und liegen, weil du einen Stern gesehen hast? Einen Stern! Das kann nicht dein Ernst sein…“

Von solchen Fragen ließen sich die weisen Männer aber offenbar nicht aus der Ruhe bringen, im Gegenteil. Nach der Erzählung des Evangelisten Matthäus hielten sie unbeirrt daran fest, dass hier etwas Besonderes geschähe und sie dabei sein müssten. Was genau sie angetrieben hat, kann man nur vermuten. Vielleicht war es das wissenschaftliche Interesse an dem außergewöhnlichen Himmelsphänomen, das sie beobachtet hatten. Vielleicht war es auch pure Neugier oder Abenteuerlust. Oder die Hoffnung, unmittelbar an einem historischen Machtumschwung teilzuhaben – immerhin verhieß in der Thora der nichtjüdische Prophet Bileam einen „Stern aus Jakob“, der als Herrscher Israels alle Feinde besiegen sollte (4. Mose 24,17).

Die Magier folgten dem Drang nach Neuem

Wie dem auch sei: Die Magier folgten ihrem Drang nach neuen Erkenntnissen. Sie packten ihre sieben Sachen und brachen auf ins Ungewisse.
Matthäus erzählt weiter, wohin sie dieser Wissensdurst brachte: nach Jerusalem zum König Herodes, weiter nach Bethlehem, zum Geburtsort Jesu – und schließlich auf einem anderen Weg wieder zurück in ihr Land. Ob sie begriffen haben, wem sie da in Bethlehem begegnet waren? Ob sich ihre Hoffnung auf eine tiefere Erkenntnis der Welt und des Lebens erfüllt hat? Der Evangelist lässt das offen. Die weisen Männer verschwinden so plötzlich im Schatten der Vergangenheit, wie sie aufgetaucht sind. Aber die Geschichte von ihrem Aufbruch bleibt und wird seitdem millionenfach erzählt.

Aufbrechen. Losziehen, ohne genau zu wissen, was kommt. Einem Zeichen folgen, einer Stimme, einer Hoffnung – das geschieht ständig bei uns Menschen, und auch die Bibel kennt Geschichten von solchen Momenten in großer Zahl.

Da ist Abraham, sozusagen der Urvater all derer, die im Vertrauen auf Gott aufbrechen. Er hört diese Verheißung: zahllose Nachkommen, ein eigenes Land und ein Bund mit Gott, dem Schöpfer der Welt. Wer würde da Nein sagen?
Abraham jedenfalls nicht. Er bricht alle Zelte ab, zieht los und verbringt den Rest seines Lebens auf der Wanderschaft. Denn so einfach ist das nicht mit der Verheißung – sie erfüllt sich zaghaft, erst mit einem Sohn, dann einem zweiten, und einem kleinen Stück Land in der Fremde, das er als Grabstätte kauft. Noch stärker aber ist die Erfahrung, dass der Bund, den Gott mit ihm geschlossen hat, zur Grundlage seiner ganzen Existenz wird.

Mose bricht mit einem ganzen Volk auf

Ähnlich geht es Mose, der nicht allein aufbricht, sondern gleich noch ein ganzes Volk mitnimmt. Auch er hat Gottes Stimme gehört; auch er bekommt den Auftrag, loszuziehen in das verheißene Land. Neben diesem Antrieb gibt es aber für ihn und die Israeliten, die ihm folgen, noch ein weiteres Motiv: Flucht aus Unterdrückung und Verfolgung – und Hoffnung auf ein besseres Leben in Freiheit. Ein Motiv, das bis heute Millionen von Menschen aufbrechen lässt; raus aus politischen Regimen, die ihnen die Menschenrechte nicht zugestehen, raus aus Kriegsgebieten und Hungerzonen, aus Armut und Chancenlosigkeit.

Mose wurde für diesen Aufbruch später zum Helden eines ganzen Volkes. In der Zeit direkt nach dem Auszug aus Ägypten sah die Stimmung allerdings anders aus: Die Begeisterung sank schnell angesichts von Hindernissen wie Meeresarmen, Hunger und Durst und wandelte sich in eine Sehnsucht nach dem Alten, Vertrauten, den sprichwörtlichen Fleischtöpfen Ägyptens.

Auch hier zeigte sich: Eine Verheißung braucht ihre Zeit, und ein Aufbruch führt nicht immer schnell zum Ziel. Manchmal ist ein langer Atem notwendig, um das erhoffte gelobte Land zu erreichen und die Träume das Aufbruchs wenigstens teilweise zu verwirklichen. Aber auch hier gilt: Mose war überzeugt davon, dass Gott ihn losgeschickt hatte und den Weg mit ihm ging. Das half ihm, die Widerstände zu überwinden und machte ihn im Rückblick zu dem, der das Volk durch die Wüste geführt hatte.

Noch weitere Männer brechen auf Gottes Wort hin auf. Josua, der Nachfolger des Mose, führt die Israeliten vollends ins Gelobte Land. Der Prophet Samuel zieht sein Leben lang durch Israel, um als Richter tätig zu sein. Jona braucht erst einen langen Anlauf, um dann doch in die richtige Richtung aufzubrechen. Und die Jünger Jesu lassen alles stehen und liegen, um mit diesem Gottesmann mitzuziehen.

Auffallend ist, dass Frauen in der Bibel der Impuls zum Aufbruch eher nicht zugeschrieben wird. Wie auch? Sie hatten in einer rein patriarchal geprägten Welt wenig Möglichkeiten, ihr Leben selbst zu bestimmen. Sie gehörten schlicht zum „Haus“, also in den Besitz- und Machtbereich des Mannes. Sara zog mit Abraham, Rebekka wurde für Isaak geholt, Rahel und Lea mussten Jakob folgen. Eigene Entscheidungen waren da nur im sehr begrenzten Rahmen möglich, etwa indem Rahel die Götterfiguren ihres Vaters mitschmuggelte, um wenigstens ein Stück Heimat zu bewahren.

Aber es gibt Ausnahmen: Rut folgte ihrer Schwiegermutter Noomi aus eigener Entscheidung in die Fremde, angetrieben von einer Mischung aus Not und Vertrauen. Von Esther wird ein Aufbruch erzählt, der gleichzeitig ein Ausbruch ist: Als sie beim persischen König um Gnade für ihr Volk bittet, stellt sie die Machtverhältnisse von Herrscher und Untertanen und die  Rollenbilder der Geschlechter auf den Kopf. Und schließlich sind da die Frauen, die Jesu Botschaft hören und ebenfalls alte Rollen hinter sich lassen, um ihm nachzufolgen.

Mit dem ersten Schritt ist es nicht getan

In all diesen Geschichten wird deutlich: Wer aufbricht, geht ein Risiko ein und hofft gleichzeitig auf ein besseres, reicheres Leben. Viele, von denen die Bibel erzählt, erklären ihren Aufbruch mit einem Ruf Gottes – und müssen dann erkennen, dass es mit dem ersten Schritt nicht getan ist: Oft folgt ein langer Weg, und das Ziel sieht noch dazu häufig ganz anders aus, als zu Anfang erträumt. Noch wichtiger als das Ankommen aber ist die Erfahrung auf dem Weg: Gott geht mit. Wer auf seine Stimme hört, findet neues, erfülltes Leben. Es lohnt sich, einem Stern zu folgen. Auch wenn es sich verrückt anhört.