Kiel. Was ist das Besondere an einem Bibliolog-Gottesdienst? „Ich predige mit der ganzen Gemeinde“, sagt Uta Pohl-Patalong, Professorin für Praktische Theologie an der Kieler Universität. Sie war es, die den Bibliolog nach Deutschland holte und seine Verbreitung in Europa und darüber hinaus organisierte.
Seinen Ursprung hat der Bibliolog in Amerika, sein Urvater ist der jüdische Psychodramatiker Peter Pitzele. Er arbeitete mit dieser gruppentherapeutischen Methode, die aus dem Stegreiftheater entstanden ist, in einer New Yorker Klinik. Eines Tages bat ihn sein Vorgesetzter, ihn bei der Rabbinerausbildung zu vertreten. Weil der säkular aufgewachsene Jude wenig Ahnung von Theologie hatte, nutzte er seine Fähigkeit, Leute in Rollen zu schicken, und bat die Studenten, sich in die Gestalt des Mose hineinzuversetzen. Er befragte sie in dieser Rolle und ließ sie antworten. Zu seiner Überraschung waren die angehenden Rabbiner begeistert von diesem Weg, etwas über die Bibel und gleichzeitig ihre eigenen Themen und Konflikte zu lernen.
Idee entstand beim Vikariat in New York
„Das ist ja Midrasch!“, sagte einer. „Midrasch“ – die Auslegung religiöser Texte im rabbinischen Judentum – dieses Wort hörte Peter Pitzele zum ersten Mal und erfuhr von dieser jüdischen Tradition, Texte auf die Gegenwart bezogen zu befragen und zu erforschen. Der Ansatz folgt der Unterscheidung der antiken Rabbiner zwischen dem „schwarzen Feuer“, dem Buchstabengehalt der biblischen Texte, und dem „weißen Feuer“, den Zwischenräumen zwischen den Buchstaben. Peter Pitzele entwickelte gemeinsam mit seiner Frau Susan, einer anglikanischen Christin, einen wiederholbaren Ansatz und nannte ihn „Bibliodrama“.
Als Uta Pohl-Patalong 1996 für einen Vikariatskurs nach New York kam, hatte sie bereits eine deutsche Bibliodrama-Ausbildung. Sie besuchte einen Workshop bei Pitzele und stellte fest: Das ist etwas ganz anderes. Sie und ihr damaliger Kollege Frank Muchlinsky luden die Pitzeles zu den ersten Workshops auf europäischem Boden ein, und schnell wurde klar: Jetzt braucht die Methode einen eigenen Namen, denn mit dem, was hierzulande als Bibliodrama bezeichnet wird – das körperliche Erleben biblischer Geschichten in vielen methodischen Varianten –, ist sie zwar verwandt, unterscheidet sich aber auch. „,Bibliolog‘ – what do you think?“, fragte Pitzele seine deutsche Schülerin dann einmal auf dem Weg vom Tagungshaus zum Speisesaal. Der Bibliolog war geboren, in seinem Namen klingen Bibel und Dialog mit oder das griechische „logos“ – Wort.
Die Pitzeles autorisierten Pohl-Patalong und Muchlinsky, die Methode weiterzugeben, und die ersten deutschsprachigen Kurse wurden entwickelt. „Die Nachfrage war gigantisch“, erinnert sich Pohl-Patalong. Gemeinsam mit Rainer Brandt aus dem bayerischen Josefstal und den Urhebern gründete sie im März 2006 das Bibliolog-Netzwerk, dessen zentrale Aufgabe die Qualitätssicherung ist, „damit es kein Stille-Post-Spiel wird“. Das Netzwerk organisiert und koordiniert Bibliolog-Kurse, qualifiziert und zertifiziert Trainer – inzwischen weltweit.