BERLIN – Mangelnde Zukunftsperspektiven erhöhen offenbar die Gewaltbereitschaft unter Flüchtlingen. Das geht aus einer Anfang Januar veröffentlichten Untersuchung von Forschern um den Kriminologen Christian Pfeiffer hervor. Demnach hat in Niedersachsen der Zuzug von Flüchtlingen zu einem Anstieg der Gewalttaten geführt. Das Gutachten liefert aber differenzierte Erklärungen: So zeigten die Tätermuster, dass insbesondere diejenigen ohne Bleibeperspektive besonders häufig in der Liste Verdächtiger auftauchten. Zudem sind junge Männer der Studie zufolge besonders häufig straffällig. Die Forscher leiten daraus Forderungen für die Rückkehrpolitik ab – und sprechen sich für den Familiennachzug auch zur Prävention von Straftaten aus.
Zahl der Gewalttaten ab 2014 gestiegen
Das Gutachten von Pfeiffer und Sören Kliem vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen sowie Dirk Baier von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften wurde im Auftrag des Bundesfamilienministeriums erstellt. Der zentrale Befund ist zunächst, dass von Flüchtlingen begangene Gewalttaten einen wesentlichen Anteil am Anstieg in diesem Bereich haben. Zwischen 2007 und 2014 gingen polizeilich registrierte Gewalttaten zurück. Dann wurde wieder ein Anstieg verzeichnet –in Niedersachsen um gut zehn Prozent für die Jahre 2014 und 2015. Gut 13 Prozent der aufgeklärten Fälle sind der Studie zufolge Flüchtlingen zuzurechnen. Für den Anstieg der Gewalttaten sind sie damit zu 92 Prozent verantwortlich, wie es in dem Gutachten heißt.
17 Prozent der von Flüchtlingen begangenen Gewalt- und 31 Prozent der Raubdelikte gingen der Untersuchung zufolge auf das Konto von Tätern aus Algerien, Tunesien oder Marokko, obwohl sie nur knapp ein Prozent der in Niedersachsen registrierten Flüchtlinge ausmachten.
Bei Menschen aus Kriegs- und Krisenländern wie Syrien, Irak und Afghanistan ist es umgekehrt: Sie machten mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Flüchtlinge aus. Ihr Anteil an den von Flüchtlingen begangenen Gewalttaten betrug knapp 35, bei Raubtaten 16 Prozent.
Die Perspektivlosigkeit ziehen die Forscher als Erklärung für Straffälligkeit heran, auch gepaart mit „gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen“, die Männer aus muslimisch geprägten Ländern mitbrächten. Auch in der Tatsache, dass viele Flüchtlinge junge Männer sind, liege ein Grund für höhere Kriminalitätsquoten. In jedem Land seien 14- bis 30-Jährige Männer bei Gewalt- und Sexualdelikten überrepräsentiert. In Niedersachsen gingen fast zwei Drittel der aufgeklärten Straftaten auf ihr Konto. Ihr Anteil an allen registrierten Flüchtlingen betrage 27 Prozent.
Pfeiffer und seine Kollegen sehen auch ein Problem darin, dass bei alleinreisenden Männern weibliche Bezugspersonen fehlen. Die „gewaltpräventive, zivilisierende Wirkung“ von Frauen komme nur begrenzt zum Tragen, schreiben sie. „Die Forderung nach einem Familiennachzug findet hier ihre kriminologische Begründung“, schreiben die Forscher.