Katja Grubert und Ina Tauchel arbeiten in der Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas in Halberstadt (Sachsen-Anhalt). „Seit dem Ukraine-Krieg haben wir mehr Beratungsgespräche als zuvor“, sagt Grubert. Im Rahmen einer „Aktionswoche Schuldnerberatung“ informieren bundesweit Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände und Verbraucherzentralen über ihre Arbeit.
Vor dem Hintergrund steigender Lebensmittel- und Energiepreise und einer Rekord-Inflation kommen seit Mitte vergangenen Jahres immer mehr Menschen auch in die Erstberatung der Halberstädter Caritas. Sie erhalten dort Unterstützung, um ihre privaten Finanzen in den Griff zu bekommen. „Beispielsweise empfehlen wir, alle Ausgaben in ein Haushaltsbuch einzutragen“, sagt Grubert: „Oder wir helfen ihnen, ihre Kreditkarte zu kündigen, damit sich nicht noch mehr Schulden anhäufen.“
Hohe Nachfrage bei Schuldnerberatung
Ihre Kollegin Ina Tauchel sagt: „Es kommen jetzt Menschen zu uns, die vorher nicht gekommen wären, wo das Geld bisher gereicht hat.“ Dass die Verschuldung privater Haushalte durch die Preissteigerungen drastisch zugenommen hätte, können die beiden Beraterinnen dennoch nicht beobachten. „Es gab immer schon eine hohe Nachfrage“, sagt Tauchel. Und die Termine seien knapp, denn bei einer Schuldnerberatung sei viel Nacharbeit nötig. Sie nimmt etwa Kontakt mit den Gläubigern auf und versucht, eine Ratenzahlung oder eine Kürzung der Raten zu erreichen.
Mindestlohn- und Kindergelderhöhung helfen
Zudem seien soziale Härten durch staatliche Leistungen wie die Erhöhung des Mindestlohns und des Kindergeldes abgefedert worden. „Viele Menschen erhalten ihre Energieabrechnungen erst in diesem Jahr“, so Tauchel. „Das wird sich vielleicht noch in der Zahl der Beratungen niederschlagen.“ Knapp 1.700 Beratungen waren es im vergangenen Jahr – mehr als in den Vorjahren. Allerdings hätten sich in der Corona-Zeit auch neue Beratungsformen wie Mail- oder Onlineberatung etabliert. Diese machten inzwischen rund 40 Prozent der Kontakte aus.
Auch Elke Neuendorf von der Schuldner- und Insolvenzberatung der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt sieht keinen deutlichen Anstieg von Verbraucherinsolvenzen. Dennoch suchten auch dort mehr Menschen Rat und Hilfe, sagt sie. In diesem Jahr habe es zwischen Januar und Mai rund 350 Fälle in der Beratungsstelle gegeben. Im Vorjahreszeitraum seien es nur 145 gewesen.
Staatliche Hilfsprogramme haben Schlimmeres verhindert
Die Zahl der Fälle, die tatsächlich zum Gericht gingen, sei aber im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar leicht gesunken, sagt Neuendorf. Zwischen Januar und Mai seien es 49 Anträge auf Privatinsolvenz gewesen, im Vorjahreszeitraum 65. Da die Nachfrage nach Beratung weiter steigt, rechnet die Beraterin im Lauf des Jahres allerdings mit mehr Insolvenzanträgen.
„Die Überschuldungslage der deutschen Verbraucher hat sich trotz der Folgewirkungen von Corona-Krise, Ukraine-Krieg und Energiepreiskrise bislang noch nicht dramatisch verschlechtert“, sagt auch Patrik-Ludwig Hantzsch, Sprecher der Wirtschaftsauskunftei Creditreform in Neuss in Nordrhein-Westfalen. Die Energiepreiskrise habe zwar die Verbraucher in Deutschland erreicht, aber nicht mit voller Wucht. So sei eine Mangellage bei Strom und Gas ausgeblieben, und staatliche Hilfsprogramme hätten trotz zeitlicher Verzögerung ihre Wirkung entfalten können.