Köln – Die Kölner Studentin Clara Bardt kauft fast ausschließlich in Secondhand-Läden ein: „Es wird Zeit, dass wir unserer Kleidung wieder mit der nötigen Wertschätzung begegnen“, sagt die 21-Jährige, die ökologisches Design studiert. Das „Fast-Fashion-System“ mit der damit einhergehenden sozialen Ausbeutung und Umweltzerstörung wolle sie nicht unterstützen.
„Gleichzeitig schone ich Ressourcen, indem ich auf bereits bestehende Materialien zurückgreife, und spare auch noch Geld.“ Die Corona-Krise habe ihr gezeigt, wie wenig man zum Leben brauche. „Seit die Läden wieder geöffnet haben, gehe ich eigentlich noch weniger einkaufen als vorher.“
Gezielteres Einkaufen nach Corona
Dass sich das Kaufverhalten ihrer Kundschaft seit der schrittweisen Wiedereröffnung der Läden verändert hat, hat auch Ladeninhaberin Britta Cordes aus Bielefeld festgestellt. Sie betreibt dort einen Secondhand-Laden für gebrauchte Kinderkleidung und Babyausstattung. „Die Kunden kaufen nun ganz gezielt ein: Keinen Schnickschnack mehr und auch nicht das zehnte Teil derselben Art.“ Die Kunden wüssten genau, wonach sie suchten und wie viel sie ausgeben wollten.
Gerade bei Kinderkleidung macht es sich nach Ansicht von Cordes bemerkbar, dass zurzeit noch alle Flohmärkte geschlossen sind: „Wir haben regelmäßig Kunden, die etwa nach einer Grundausstattung für Neugeborene suchen, und jetzt noch schnell vorbeikommen, bevor das Baby da ist.“ Ein Teil dieser Kunden hätte sich ansonsten erst einmal auf einem Flohmarkt umgesehen.
Während des Corona-Lockdowns boten Cordes und ihre Mitarbeiterinnen einen besonderen Service an: „Kunden konnten Bestellungen aufgeben. Etwa: Brauche Größe 80, Junge, für 40 Euro.“ Und dann habe sie die vierfache Menge zum Aussuchen nach Hause geliefert und den Rest anschließend wieder abgeholt. „Das wurde wahnsinnig gut angenommen und hat uns ziemlich überrollt.“ Sehr aufwendig sei das natürlich gewesen und habe sich finanziell auch nicht wirklich gelohnt: „Wir haben innerhalb von zwei Wochen so viel Umsatz gemacht wie vor dem Lockdown an einem Tag.“ Aber es sei halt eine gute Werbung für den Laden gewesen.
Viele Secondhand-Läden hätten zum Glück vor dem Lockdown bereits einen Online-Shop gehabt, den sie dann ausbauen konnten, sagt Daniela Kaminski vom Bundesverband Second-Hand-vernetzt e.V. in Köln.
Trotzdem hätten viele Läden Kurzarbeitergeld und die staatliche Soforthilfe beantragen müssen. Und seit der Wiedereröffnung nähmen auch sie eine deutliche Kaufzurückhaltung wahr: „Es stimmt leider nicht, dass Secondhand in schlechten Zeiten besser läuft. Die Leute haben einfach weniger Geld.“
Das kann auch Bernhard Munzel von der Diakonie Essen bestätigen:
„Die, die es nicht nötig haben, kommen nicht.“ Vor allem Diakonieläden in sozialen Brennpunkten seien seit der Wiedereröffnung besonders gefragt. „Aber auch da haben wir nicht ansatzweise denselben Umsatz, den wir vorher hatten.“ Alles laufe sehr langsam an.
Das bestätigt Udo Rabenau, Regionalleiter der Oxfam Shops in Deutschland: „Wir liegen deutlich unter 50 Prozent des üblichen Umsatzes und werden sicher noch Monate brauchen, um da wieder hinzukommen.“ Andererseits sei das aber auch nicht erstaunlich: „Normalerweise haben wir oft 30 bis 40 Kunden gleichzeitig in den Läden, jetzt dürfen wegen der Corona-Maßnahmen maximal fünf rein.“ Zurzeit gebe es oft Schlangen vor den Läden. „Und wer bereit ist, zehn Minuten vor der Tür zu warten, der ist auch bereit, Geld auszugeben. Der macht das nicht, um nur mal zu gucken.“ Er habe das Gefühl, dass viele Kunden sogar mehr kauften, weil der Laden nach dem Lockdown so gut aufgefüllt sei.
Von der Krise profitiert hätten Websites wie Ebay und Kleiderkreisel, sagt Daniela Kaminski von Second-Hand-vernetzt.
Secondhand jetzt noch salonfähiger
Tatsächlich nahmen etwa Anzeigen bei Ebay Kleinanzeigen nach Aussage des Unternehmens in der letzten Märzwoche um 25 Prozent zu, bei deutlich überdurchschnittlicher Nachfrage. „Das ist auch für uns durchaus von Vorteil“, sagt Kaminski: „Denn das macht Secondhand noch salonfähiger.“ Vor allem in Städten habe sich die Mentalität verändert, sagt auch Britta Cordes: „Da kaufen Leute Secondhand-Ware, weil sie nachdenken, ihnen geht es um die richtige Einstellung, nicht in erster Linie um das Geld.“ Menschen, die wenig Geld hätten, gingen oft lieber zum Discounter, „weil sie nicht wollen, dass man das sieht“.