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Welterbe-Titel für Erfurts jüdisches Erbe – Freude und Mahnung

Das jüdisch-mittelalterliche Erbe Erfurts ist in die Unesco-Welterbeliste aufgenommen. Das entschied das Welterbekomitee bei seiner Tagung am Sonntag in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad. Zur neuen Welterbestätte gehören die Alte Synagoge, die Mikwe (Ritualbad) und das Steinerne Haus, ein historisches Wohngebäude. In ersten Reaktionen auf die Auszeichnung verbanden sich Freude und die Mahnung, Antisemitismus konsequent entgegenzutreten.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erklärte: “Der Welterbe-Titel stärkt das gemeinsame Bemühen von Stadt und Land, diese historischen Stätten zu erhalten und ihre wechselvolle Geschichte öffentlich zu vermitteln. Deshalb erinnert uns die Auszeichnung der Unesco einmal mehr daran, wie notwendig es ist, Hass und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden jederzeit entschieden entgegenzutreten.” Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) sagte: “Jetzt, da Erfurt mit dem Welterbetitel geadelt wurde, müssen und werden wir diesen Schatz hüten und wahren wie unseren Augapfel.”

Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, erklärte: “Die Gemeindemitglieder werden sich noch mehr zu Hause fühlen.” Der Titel bedeute auch eine Stärkung der Landesgemeinde.

Die Botschafterin Deutschlands bei der Unesco, Kerstin Pürschel, sprach von einem “weiteren, wichtigen Beitrag, die gemeinsamen Wurzeln von Juden und Christen in Deutschland und Europa sichtbar zu machen und für die Zukunft zu bewahren”. Sie hoffe, dass die Auszeichnung dazu beitrage, nicht nur die Geschichte, sondern auch die Gegenwart des jüdischen Erfurts bekannt zu machen. Nach den sogenannten SchUM-Stätten in Mainz, Speyer und Worms, die 2021 aufgenommen wurden, wird erst zum zweiten Mal jüdisches Kulturgut in Deutschland mit dem Welterbe-Titel ausgezeichnet.

Der katholische Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr erklärte, die Bürgerinnen und Bürger könnten auch deshalb stolz auf den Titel sein. Die nun ausgezeichneten Denkmäler bezeugten zwar eine Blütezeit jüdischen Lebens in Erfurt, zugleich erlebe die jüdische Gemeinschaft bis heute Ablehnung, Diskriminierung und Gewalt: “Jüdinnen und Juden können immer noch nicht unbesorgt in Deutschland leben, und es sieht so aus, als würden sie es immer weniger können. Das ist ein Skandal! Dagegen vorzugehen und die gemeinsamen Wurzeln zu entdecken, die Juden und Nichtjuden verbinden, ist auch eine Verpflichtung, die sich aus dem Welterbe-Titel ergibt.” Neymeyr ist in der Deutschen Bischofskonferenz zuständig für die Beziehungen zum Judentum.

Das Welterbekomitee entscheidet noch bis zum 25. September über insgesamt 50 Nominierungen. Für Deutschland ist es der 52. Welterbetitel, für Thüringen der fünfte. Im Freistaat haben bereits die Wartburg, die Bauhaus-Stätten in Weimar, das Klassische Weimar und der Nationalpark Hainich den Welterbe-Status.