Die italienischen Behörden gehen erneut gegen private Seenotretter vor. Nach der Rettung Hunderter Flüchtlinge wurden die Schiffe mehrerer Hilfsorganisationen festgesetzt. Die Sea-Eye 4 dürfe den Hafen von Salerno für 20 Tage nicht verlassen, teilte die gleichnamige Organisation mit. Auch die spanische Open Arms muss für knapp drei Wochen im Hafen von Carrara in der Toskana bleiben. Die Humanity 1 rettete derweil knapp 60 Flüchtlinge und Migranten vor dem Ertrinken.
Die Sea-Eye 4 hatte vor der Festsetzung 114 im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge und Migranten an Land gebracht, auf der Open Arms waren 195 Überlebende. Die Menschen waren jeweils bei mehreren Rettungseinsätzen an Bord genommen worden.
Gorden Isler: „Hätten wir das nicht getan, wären Menschen ums Leben gekommen“
Der Sea-Eye-Vorsitzende Gorden Isler kritisierte das Vorgehen der italienischen Behörden. „Uns wird erneut vorgeworfen, dass wir mehrere Rettungsoperationen durchgeführt haben“, sagte Isler. „Hätten wir das nicht getan, wären Menschen ums Leben gekommen.“ Auch die spanische Organisation Open Arms verurteilte die Festsetzung und warnte vor einer Behinderung des Schutzes von Menschenleben auf See.
Gegen beide Organisationen wurden den Angaben zufolge auch Geldstrafen verhängt. Sea-Eye müsse eine Buße in Höhe von 3.333 Euro zahlen, teilte die Organisation mit. Open Arms sei eine Strafe über 10.000 Euro auferlegt worden, schrieb die spanische Organisation im Internetdienst X, ehemals Twitter.
Oft wird den Schiffen ein weit entfernter Hafen zugewiesen
Derweil gingen die Einsätze privater Seenotretter auch am Mittwoch weiter. Die Humanity 1 nahm knapp 60 Flüchtlinge und Migranten in der maltesischen Such- und Rettungszone an Bord, wie SOS Humanity mitteilte. Den Angaben zufolge wiesen die italienischen Behörden dem Schiff den mehr als 1.000 Kilometer entfernten Hafen von Livorno zu.
Unter der rechtsnationalistischen italienischen Regierung wurde ein Gesetz erlassen, wonach Hilfsorganisationen nach der ersten Rettung den von den Behörden erteilten Hafen anlaufen müssen. Zudem wird den Schiffen häufig ein weit entfernter Hafen zugewiesen. Die Organisationen vermuten, dass so die Einsatzzeit in der Such- und Rettungszone verkürzt werden soll.
Sea-Watch: „Wir werden die Schiffbrüchigen niemals nach Tunesien bringen“
Bereits am Montag war die Aurora von Sea-Watch nach der Rettung von 72 Menschen auf Lampedusa festgesetzt worden. Den zuerst von den Behörden zugewiesenen Hafen im sizilianischen Trapani hatte die Crew wegen der weiten Entfernung abgelehnt. Auch der daraufhin erteilten Anweisung der Leitstelle in Rom, einen Hafen in Tunesien anzusteuern, widersetzten sich die Seenotretter aus humanitären Gründen.
„Wir werden die Schiffbrüchigen niemals nach Tunesien bringen, es ist ein Land, das kein Asylgesetz und kein entsprechendes Aufnahmesystem hat“, sagte Sea-Watch-Sprecherin Giorgia Linardi der italienischen Tageszeitung La Repubblica. Die Lage der Migrantinnen und Migranten in dem nordafrikanischen Land habe sich mit rassistischen Pogromen und Abschiebungen in die Wüste verschlechtert.