Leuchtende Sterne in den Fußgängerzonen. Dauerschleifen-Gedudel in den Einkaufszentren. Weihnachtsschmuck in Modefarben und eine Woche lang Herz-Schmerz-Filme im Fernsehen. Weihnachten ist überall, bei Christen und Moslems, bei Gläubigen und Atheisten, in Europa und auf der ganzen Welt.
„Alle feiern etwas, aber das hat nicht mehr unbedingt etwas mit Jesu Geburt zu tun“, konstatiert Harald Schroeter-Wittke, Professor für Praktische Theologie an der Universität Paderborn. „Uns muss bewusst sein, dass uns Christinnen und Christen Weihnachten nicht mehr gehört.“
Ein Satz, der das Kirchenvolk vielleicht zunächst erschreckt – denn wenn Weihnachten nicht mehr den Christen gehört, wem dann? Wird der Kirche da gar etwas weggenommen? Aber Schroeter-Wittke sieht kein Problem darin, dass Weihnachten immer weltlicher wird, und er fürchtet auch nicht, dass die eigentliche Weihnachtsbotschaft dabei verloren geht. Denn die lautet ja: Gott kommt als Mensch zur Welt. „Der Abstand zwischen Gott und Welt ist weg; das Himmlische wird irdisch. Das ist genau das, was wir in der Advents- und Weihnachtszeit erleben“, so der Theologe.
Darum findet Schroeter-Wittke all den Weihnachtskitsch völlig in Ordnung. In der Lichterflut, den Weihnachtsschulzen und der Familienseligkeit verstecken sich für ihn auch theologische Fragestellungen: Wo bin ich zu Hause? Wo finde ich Geborgenheit und Gemeinschaft? Wo Liebe? „All die Weihnachtstraditionen, ob nun kitschig oder nicht, gehören zu einer Art Theater. Wir spielen Himmelreich“, meint der Theologe. An der großen Bedeutung, die diese Fragen und Sehnsüchte zur Weihnachtszeit haben, macht er seine Beobachtung fest: „Nicht mehr das Kreuz, sondern die Krippe steht im Zentrum heutigen Christentums.“
Also: Für die Menschen heute geht es nicht mehr in erster Linie um die Frage: Wie werden mir meine Sünden vergeben und wie komme ich in den Himmel? Es geht vielmehr darum, wie man das Leben vor dem Tod sinnvoll und erfüllend gestalten kann. „Es geht um Erlösung, weniger um Versöhnung“, wie Schroeter-Wittke formuliert.
Wenn aber alles Weltliche auch himmlisch gedeutet werden kann – welche Rolle bleibt dann noch den Kirchen? „Sie sollen aufnehmen, was da ist, und darin Gottes Spuren deutlich machen“, meint Schroeter-Wittke. „In der Weihnachtspredigt reichen zwei, drei Nebensätze, um auf das Evangelium im Weltlichen hinzuweisen.“ Dabei plädiert er für Leichtigkeit und Humor in der Kirche. „Wir sollten nicht darauf herumreiten, dass das ,Eigentliche‘ von Weihnachten doch Jesu Geburt ist“, so der Theologe. „Diese Predigt mit erhobenem Zeigefinger kennen viele noch von früher. Die scheuen sich dann, Heiligabend in die Kirche zu gehen, obwohl die meisten Pfarrerinnen und Pfarrer diese Verbissenheit längst abgelegt haben.“