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Weihnachten im Ländle: Vom Adventskalender bis Silvesterumzug

Plätzchen backen, Adventskalender, Weihnachtslieder: Viele Traditionen gehören untrennbar zur Weihnachtszeit. Doch dass etwa der Adventskalender in Maulbronn erfunden wurde und dass das bislang älteste bekannte „Jesulein“ der Welt aus dem schwäbischen Leutkirch stammt, wissen wohl nur wenige.

„Was uns – gerade im Umgang mit dem weihnachtlichen Festkreis – häufig fehlt, ist die Kenntnis, dass viele vertraute Dinge eine interessante Vergangenheit und eine besondere historische Bedeutung besitzen“, schreibt die Kunsthistorikerin und Heimatkundlerin Irene Krauß in ihrem Buch „Weihnachten hierzuland“ (Silberburg-Verlag Tübingen).

So stammt der erste serienmäßig hergestellte Adventskalender aus dem Jahr 1904. Es war der in Maulbronn geborene Verleger und Pfarrerssohn Gerhard Lang (1881-1974), der ihn herausgab. Damals war er gedacht für die Kinder der Abonnenten einer Stuttgarter Zeitung. Es war ein großer viereckiger Karton mit 24 nummerierten Feldern, die mit Texten versehen waren. Auf diesen konnte täglich ein Bildchen aus einem dazugehörigen Ausschneidebogen geklebt werden.

In den weiteren Jahren bot Lang Adventskalender mit Ziehfiguren, Häusern und Kirchen zum Aufstellen an und stellte seit 1925 Adventskalender mit Schokoladen-Füllung her, 1930 sogar einen Adventskalender für Blinde. Auch ein Verlag in Esslingen und das evangelische Verlagshaus St. Johannis in Lahr produzierten lange erfolgreich Adventskalender.

Übrigens wird jedes Jahr zur Adventszeit das Rathaus auf dem Marktplatz in Gengenbach (Ortenaukreis) zum größten Adventskalenderhaus der Welt, erfährt der Leser. Täglich öffnet sich ein Fenster der insgesamt 24 Bildmotive von renommierten Künstlern.

Neben dem Springerle entstand im Ländle als Weihnachtsgebäck etwa auch das „Ulmer Brot“ – feine Schnitten mit weihnachtlichen Gewürzen. Als Freie Reichsstadt war Ulm reich und hatte Zugang zu den früher noch kostbaren und kostspieligen Gewürzen. Offenbar konnte sich ein guter Teil der städtischen Bürger dieses gewürzreiche Ulmer Backwerk der gehobenen Klasse leisten.

Eine der größten und schönsten Krippen Baden-Württembergs befindet sich im Kloster der Franziskanerinnen von Bonlanden, zwischen Memmingen im Allgäu und Biberach gelegen. 254 holzgeschnitzte und stoffbekleidete Engel- und Menschenfiguren sowie 124 Tierfiguren bilden den Grundstock dieses Krippenwegs. Das bislang älteste bekannte „Jesulein“ der Welt, ein sitzendes Jesuskind aus Holz, das um 1300 in Schwaben entstand, stammt aus einem Kloster in Leutkirch und ist heute im Schwäbischen Krippenmuseum in Mindelheim (Landkreis Unterallgäu) zu sehen.

Wenig bekannt ist auch, dass der Verfasser des Lieds „Ihr Kinderlein, kommet“, der Priester und Publizist Christoph von Schmid (1768-1854), von 1816 bis 1928 als Pfarrer in Oberstadion in Oberschwaben arbeitete. Auch wenn das berühmte Lied vermutlich schon um 1810 im bayerischen Thannhausen entstand, wurde von Schmid als Kinder -und Jugendbuchautor weltbekannt, und seine Bücher wurden in über 25 Sprachen übersetzt. Ihm zu Ehren wurde im historischen Rathaus von Oberstadion eine Gedenkstätte eingerichtet.

An vielen Orten in Württemberg wurden interessante Weihnachtstraditionen bewahrt: So findet während der Isnyer Schlossweihnacht allabendlich das sogenannte „Engelefliegen“ statt. Pünktlich um 18.30 Uhr teilt sich ein beleuchteter roter Vorhang am Giebel des früheren Abtshauses, und eine lebensgroße, blondgelockte Engelsfigur schwebt an einem Drahtseil herunter in den Innenhof der barocken Schlossanlage mit dem Weihnachtsmarkt. Eine ähnliche Tradition findet sich im „Christkindle -Ralassa“ in der oberschwäbischen Stadt Biberach an der Riß, wo am frühen Abend des 24. Dezember unter weihnachtlichen Gesängen eine Christkind-Figur langsam per Seilzug aus dem Giebelfenster eines Hauses herab Richtung Marktplatz schwebt.

Irene Krauß (Bad Säckingen) erzählt auch von Silvesterbräuchen und Traditionen am Dreikönigsfest (6. Januar). So danken die Menschen in Schiltach Gott mit Gesang für das zu Ende gehende Jahr. Mit Beginn des Glockenläutens der evangelischen Stadtkirche formiert sich am Silvesterabend eine Prozession aus Bürgerinnen und Bürgern mit Laternen. Singend ziehen sie durch die Innenstadt. Dieser Brauch ist mindestens seit dem Jahr 1811 belegt. Das gemeinsame Danksagen und Singen entspreche einem bewussten „Innehalten“ am Ende eines Jahres „und spricht unabhängig von religiösem Denken auch heute noch viele Menschen in Schiltach und Umgebung an“, schreibt die Autorin in ihrem Buch „Weihnachten hierzuland“. (3164/7.12. 2025)