Was für eine Enttäuschung: Die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland haben im vergangenen Jahr mehr Mitglieder verloren als jemals zuvor (UK berichtete). Über eine halbe Million Menschen traten zu je etwa gleichen Teilen aus katholischer und evangelischer Kirche aus – das ist die traurige Bilanz von 2019.
Was tun? Wie kann man das ändern?
Die Wahrheit ist: Wir in den Kirchen wissen es nicht. Oder: Wir wissen ganz vieles. Aber wir können uns oft nicht einigen. Oder, wenn wir uns einigen, sind die Erkenntnisse schwer umzusetzen. Und falls es gelingt, etwas umzusetzen, nutzt es nichts: Am Ende stehen, wie jetzt, dann doch wieder noch höhere Austrittszahlen.
Das ist bitter. Denn wir strengen uns an. Ehrenamtliche. Hauptamtliche. Die Vielen, die immer noch in den Kirchen für die Gute Nachricht brennen. Wir bilden uns fort. Untersuchen, wie man Menschen erreicht. Wie eine Predigt gut wird. Schauen auf andere Professionen. Was gute Werbung ist. Wie Moderationen funktionieren. Lernen, was ein TED-Talk ist. Stellen auf neue Finanz- und Buchhaltungssysteme um. Lernen Präsenz vor der Kamera, Videoschnitt und ein Mikrofon einzupegeln.
An vielen Stellen gibt es dann kleine Erfolge. Man bekommt Mut, Aufwind. Und am Ende: kommen wieder diese Zahlen.
Und dann nagt diese Frage: Selbst, wenn wir alles noch besser machten – würden die Menschen dann bei uns in der Kirche bleiben?
Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass die Kirche kleiner wird, egal, was wir tun. Sicher, bei Gott ist alles möglich; auch, dass ein Wunder geschieht und die Menschen die Kirche irgendwann wieder entdecken. Dafür beten und arbeiten wir. Aber Wunder sind nicht planbar.
Nirgendwo im Evangelium sind der Gemeinde große Zahlen verheißen. Die Frohe Botschaft des Evangeliums ist zwar eine Gute Nachricht; aber sie eckt auch an. Gerade in einer Wohlstandsgesellschaft. Jesus spricht von versprengten Schafen, die sich zwischen Wölfen aufhalten. Er macht Mut, dass er seinen Segen geben will, selbst wenn nur zwei oder drei Getreue sich in seinem Namen sammeln. Gemeinden in anderen Ländern wissen genau, was damit gemeint ist. In Deutschland herrschten lange goldene Zeiten. Aber die große Volkskirche – sie war schon immer der absolute Ausnahmefall.
Die Christinnen und Christen konnten Kirchen bauen, Krankenhäuser, Kindergärten, Pflegeheime. Beratungsstellen gründen, Frauenhäuser, Schuldnerberatung. Sie konnten Hilfe in jeder Form anbieten. Daran hängen Menschen, Schicksale, Gebäude, Arbeitsplätze. Es wird schmerzen, sich von Etlichem trennen zu müssen.
Was tun? Das wird in den nächsten Jahren weiter die Frage bleiben. Die Kirchen haben sich längst auf den Weg gemacht. Noch sind sie groß, haben Möglichkeiten. Auf diesem Weg weiterzumachen, mutig und fröhlich, ohne sich von den Zahlen einschüchtern zu lassen – das ist unsere Verantwortung für diese Zeit.