Artikel teilen:

Was Menschen heute vom antiken Kaiser Marc Aurel lernen können

Seelenruhe statt Geltung, Dialog statt Wut: Die Gedanken des Römerkaisers Marc Aurel sind beliebte Ratgeberthemen – auch auf Onlineportalen. Ein Wissenschaftler erklärt, wie der antike Imperator Menschen heute helfen kann.

Was braucht es für ein gelingendes Leben? Zahlreiche Ratgeber und Youtube-Filme widmen sich dieser Frage. Viele von ihnen beziehen sich dabei auf den römischen Kaiser und Philosophen Marc Aurel (121-180 n. Chr.), der bis heute vielfach als “guter Herrscher” gilt. Auch das Land Rheinland-Pfalz widmet ihm vom 15. Juni bis 23. November eine gleichnamige Landesausstellung in gleich zwei Museen in Trier – mit rund 400 Exponaten aus dem Vatikan, Italien, Frankreich und weiteren Ländern.

“Entscheidend für das Gelingen des eigenen Lebens ist laut Marc Aurel, dass man seine Vernunft betätigt”, sagt Benedikt Strobel. Der Trierer Philosophieprofessor berät die Veranstalter bei der inhaltlichen Gestaltung der Antiken-Schau. Es ging dem Kaiser, der sich in sogenannten Selbstbetrachtungen mit guter Lebensführung beschäftigte, demnach um die richtige Beurteilung der erstrebenswerten Ziele. Wirklich erstrebenswert sei allein ein tugendhaftes Leben.

“Dass man also der Gemeinschaftlichkeit des Menschen gerecht wird, indem man andere gerecht behandelt, wohltätig behandelt und sie nicht täuscht oder betrügt”, führt Strobel aus. Dies sei jedoch leichter gesagt als getan. Grundlage sei ein klarer Blick auf die eigene Person und die eigene Unzulänglichkeit. Der Kaiser-Aurel-Experte spricht etwa davon, Abstand zu gewinnen zu Aspekten des Alltags, die laut Marc Aurel nicht maßgeblich für Empfinden von Glück und die innere Seelenruhe sind.

Der Mensch sei in der Zeit des Römischen Imperiums ebenso wie heute mit Widrigkeiten aller Art konfrontiert – etwa Krankheiten oder dem Verlust von nahestehenden Menschen. “Marc Aurel strebte das Ziel an, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und die Frage ist, worin besteht eigentlich das Wesentliche für das eigene, gelingende menschliche Leben?”, fragt der Trierer Wissenschaftler. Es sei zentral, sich zu vergewissern, auf welche Dinge es im Leben ankomme und welche Dinge vielleicht wünschenswert, aber letztlich nicht entscheidend seien.

“Es geht aus Sicht des Kaisers darum, dass man sich auf die Dinge fokussiert, die wirklich das Gelingen eines menschlichen Lebens ausmachen – und das sind die eigenen Einstellungen, die ich einnehme und die in meiner Verfügungsgewalt liegen.” Es gehe um die Gestaltung der eigenen inneren Haltung. Materielle Güter hingegen, nach denen viele Menschen normalerweise strebten, würde Kaiser Aurel relativieren. “Mit dem Argument, dass nichts völlig in unserer Hand liegt – im Gegensatz zu den Tugenden, die einen Menschen ausmachen.”

Heute wäre der römische Herrscher womöglich selbst in den sozialen Medien als Influencer unterwegs – dort, wo seine Ideen vielfach gesehen und gehört werden. “Wenn diese Internetpräsenz zu den richtigen Zwecken verwendet würde, könnte er dem vermutlich etwas abgewinnen”, wagt Strobel eine These. “Wenn es um einen gemeinschaftlichen Dialog geht, dann würde Marc Aurel dem Influencertum sicher einen Nutzen zuschreiben.”

Wobei die sogenannten Likes als Form digitaler Zustimmung oder die Anzahl der Onlinefans ihm, anders als den wohl meisten Internetstars, als nicht wichtig erscheinen würden. “Was andere Leute denken, auch zum Beispiel über ihn, das liegt nicht in seiner Hand. Dann gehören Likes auch zu den nicht Glücks-entscheidenden Dingen”, erklärt Strobel.

Drei Kernfragen für ein gelingendes Leben lassen sich demnach vom römischen Kaiser noch heute übernehmen:

Kaiser Aurel, der sich laut Strobel als Teil der menschlichen Weltgemeinschaft ansah, würde den Menschen außerdem zu mehr Toleranz bei Fehlern anderer raten. “Er meinte: Wann immer wir Fehler machen, geschehen sie häufig unwissentlich und unwillentlich.” Strobel verweist auf die heute mitunter aufgeheizte Debattenkultur, die sich durch soziale Medien negativ verstärke.

“Mal angenommen, der andere hätte überhaupt einen Fehler gemacht, dann gäbe es immer noch weitere Gründe, den anderen mit Wohlwollen zu begegnen und ihn nicht fertig machen zu wollen”, folgert der Wissenschaftler aus Marc Aurels Gedanken. Aufgrund der Fähigkeit des Menschen, aus Vernunft heraus zu handeln und für die Gemeinschaft zu leben, verbiete sich respektloses Handeln.