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Was mehr zu tun ist, damit‘s was wird

Ute Hedrich, Pfarrerin im Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung, schildert ihre Eindrücke von der Zusammenkunft im südafrikanischen Durban und benennt aktuelle Herausforderungen im Kampf gegen Aids

MÖWe-Pfarrerin Ute Hedrich hat in diesem Jahr an der Welt-Aids-Konferenz im südafrikanischen Durban teilgenommen. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Thematik, ist in Namibia und Südafrika engagiert und arbeitet in dem internationalen Programm „Kirche und Wirtschaft gegen HIV und Aids“ mit. Thomas Krieger befragte seine Kollegin nach ihrer Rückkehr aus Südafrika.

Was war das bewegendste Erlebnis auf der Welt-Aids-Konferenz?
Der Auftakt der Konferenz. Dort erinnerte  Kweku Mandela, Enkel von Nelson Mandela, an seinen Großvater, der vor 16 Jahren am gleichen Ort auf der Aids-Konferenz stand und Südafrika und die Welt aufforderte, HIV- und Aids-Behandlung zu intensivieren gegen alle Ressentiments von Seiten der Regierung. Jetzt hat Südafrika das größte HIV-Behandlungsprogramm weltweit mit mehr als 3,4 Millionen Menschen, die die Medikamente bekommen.
Ein großer Erfolg – aber es ist noch nicht genug. Noch immer sterben allein in Südafrika 400 Menschen pro Tag an einer durch Aids-bedingten Krankheit, fast 37 Millionen Menschen weltweit leben mit dem Virus und noch nicht die Hälfte bekommt die Behandlung.
Beeindruckt hat mich auch eine Aussage der Schauspielerin Charlize Theron: „Etwas läuft völlig falsch. Die Epidemie  ist noch nicht besiegt aufgrund der einfachen Tatsache – wir achten das Leben einiger mehr als das anderer, wir lieben Männer mehr als Frauen, heterosexuelle Liebe mehr als homosexuelle, weiße Haut mehr als schwarze, Reiche mehr als Arme, Erwachsene mehr als Heranwachsende.“
Der Auftakt war damit eindrucksvoll gesetzt: HIV und Aids benötigt wissenschaftlichen Fortschritt, aber auch viel stärkeres wirtschaftliches, politisches, soziales und kirchliches, religiöses Engagement.

Was sind gegenwärtig die Hauptziele in der Aids-Bekämpfung?
UNAIDS (Gemeinsames Programm der Vereinten Nationen zu HIV/Aids – Anmerkung der Redaktion) formulierte die 90-90-90-Formel. Bis 2020 sollen 90 Prozent aller Menschen, die mit HIV leben, ihren Status kennen. Davon wiederum 90 Prozent Medikamente erhalten und von diesen sollen wiederum 90 Prozent so gut versorgt sein, dass ihre Virenlast nicht mehr nachweisbar ist und damit die Ansteckungsfähigkeit sehr gering ist.

Ist dies erreichbar?
Die Welt-Aids-Konferenz war deutlich: Es geht nur,
– wenn alle sich mit engagieren, auch Kirchen und Religionsgemeinschaften,
– wenn die Finanzierung aufgestockt wird für den Globalen Fund zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose (TB) und Malaria. Bei der nächsten Wiederauffüllungskonferenz werden 13 Milliarden  US-Dollar benötigt – zugesichert sind sie längst noch nicht. Einige forderten die Finanztransaktionssteuer als Finanzierungsinstrument endlich umzusetzen;
– wenn sogenannte key-populations (damit gemeint sind die am stärksten von HIV und AIDS betroffenen und vielfach massiv benachteiligten Bevölkerungsgruppen – Anmerkung der Redaktion)  – Sexarbeiterinnen und -arbeiter, Menschen, die Drogen konsumieren, Menschen, die zur LGBTI-Community (also Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle – Anmerkung der Redaktion) gehören – nicht diskriminiert, sondern in Programme auch als Verantwortliche mit einbezogen werden.

Was machte eine westfälische Pfarrerin auf der Welt-Aids-Konferenz?
Kontakte knüpfen für unsere Aids-Projekte, wie für das Programm „Kirche und Wirtschaft gegen HIV und AIDS“ (CHABAHIVA) im Südlichen Afrika, neue Informationen mitnehmen,  Partner und Partnerinnen treffen, sich an dem Team der Pfarrerinnen und Pfarrer der Welt-Aids-Konferenz  beteiligen und an zwei Nachmittagen für den Andachtsraum zuständig sein.  

Gibt es auch neue Herausforderungen, die auf der Konferenz besprochen wurden?
Ich sehe mehrere:
– HIV und TB sollten in den Projekten immer zusammen gesehen und angesprochen werden, das Testangebot möglichst beide umfassen;
– 57 Prozent Zunahme der HIV-Infektionen in Osteuropa – ich denke, das ist eine Herausforderung für unsere Partnerschaftsarbeit und diakonischen Kontakte mit osteuropäi­schen Kirchen;
– wir müssen auch genauer hinschauen, ob da, wo HIV- und Aids-Mainstreaming (gemeint ist ein Organisationsentwicklungsprozess mit dem Bestreben nach wirksamen und nachhaltigen Lösungen, um Ursachen und Folgen einer Infektion einzudämmen – Anmerkung der Redaktion) in Projekten und Werken angesagt ist, dies auch geschieht;
– in Kirche und Ökumene müssen wir Fragen zur Sexualität aufnehmen, um Stigmatisierung zu überwinden, damit alle, egal wen er oder sie liebt, gleiche Rechte und Chancen haben.