Es ist ein „gigantischer Absturz“, sagt die Frankfurter Tierschützerin Gudrun Stürmer, „vom heiligen zum verhassten Tier“. Gemeint ist die Taube. Die zahmen Nachkommen der Felsentaube, die einst an den Steilufern des Mittelmeers nistete, gelten in den Städten von heute als Plage: als Träger von Keimen und Parasiten sowie als Zerstörer von Fassaden. Denn die Pilze, die sich auf Taubenkot ansiedeln, geben Säuren ab, die selbst dem härtesten Stein zusetzen.
Tauben kommen ursprünglich aus Ägypten
Dabei waren es die Menschen, die die Tauben einst domestizierten. Die ersten zahmen Felsentauben lassen sich auf einem Bildnis aus dem vierten Jahrhundert vor Christus in Mesopotamien belegen, dem heutigen Irak. Charles Darwin wies nach, dass die alten Ägypter schon 2750 vor Christus Tauben hielten. Von dort aus verbreitete sich die Haus- und Tempeltaube.
Die Fruchtbarkeitskulte der babylonischen Göttin Ischtar und der semitischen Göttin Astarte erhoben den fortpflanzungsfreudigen Vogel zum heiligen Tier. Persische Truppen brachten die Taube dann im fünften Jahrhundert vor Christus nach Griechenland, wo sie dem Aphrodite-Liebeskult einverleibt wurde, im Römischen Reich war sie dann Begleittier der Venus.
Die frühen Christen erkoren sie schließlich zum Symbol des Heiligen Geistes. Im Matthäus-Evangelium 3,16 ist zu lesen: „Und als Jesus getauft war… siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen.“
Das Christentum übernahm die alten Bilder und verwandelte sie seiner eigenen Lehre an. In seinem „Taubenbuch“ hat der frühere Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann auf die Taube in der christlichen Kunst hingewiesen: Sie ist „einmal das Sinnbild des Friedens, zum anderen das Symbol des Heiligen Geistes sowie der sogenannten Geistbegabung und der erlösten Seele“.
Als Friedens- und Versöhnungssymbol zwischen Gott und den Menschen galt die Taube schon in der jüdischen Thora. Sie brachte Noah einen Ölzweig in die Arche zurück: Zeichen für das Sinken der Sintflut.
Die abendländische Kunst hat die Taube als Symbol des Heiligen Geistes etabliert, sei es auf Bildnissen des Pfingstwunders oder der Verkündigung Mariens. Hans Baldung Grien hat 1521 Martin Luther mit einer Taube in Holz geschnitten, um die Geistbegabung hervorzuheben. Ein Holzschnitt in Luthers Predigtbuch zeigt eine Taube über der Bibel schwebend.
Zeichen für den Heiligen Geist, für das Pfingstwunder
Pablo Picasso entwarf 1949 eine Taube als Zeichen für Frieden und Freiheit. Später wurde die weiße Taube auf blauem Grund zum Symbol der Friedensbewegung.
In der Realität hatte die Taube längst eine andere Rolle: Sie wurde gemästet und verspeist, war lange Zeit unverzichtbar als Meldetier. In Berlin-Spandau erinnert noch heute ein Denkmal an die Brieftauben des Ersten Weltkriegs. Manche Brieftauben fanden aber nicht mehr nach Hause zurück und verwilderten: ein unerschöpfliches Reservoir für die Straßentauben.
Weltweit gibt es mindestens 800 Taubenrassen, die liebevoll gezüchtet werden, allein in Deutschland sind 350 Rassen zugelassen. Immer wieder gehen ein paar Zuchttauben verloren. Sie kreuzen sich mit den „Ratten der Lüfte“, wie die Stadttauben heute abfällig genannt werden, und bevölkern Plätze und Parks.
In vielen Städten gilt Fütterungsverbot
Zur Freude einiger Menschen, die sie füttern, zum Ärger der Kommunalpolitiker. Von den mehr als 100 Krankheitserregern, die Tauben in sich tragen, sind allerdings nur in Einzelfällen welche auf Menschen nachgewiesen worden – vorwiegend auf Taubenzüchtern. Für das Influenza-Virus H5N1, die Vogelgrippe, sind Tauben gar nicht empfänglich.
In zahlreichen Städten gelten Fütterungsverbote für Stadttauben, Vorrichtungen wie Drahtgitter an Gebäuden sollen verhindern, dass die Höhlenbrüter sich dort niederlassen. Die Tierschützer um Gudrun Stürmer in Frankfurt am Main versuchen einen anderen Weg, um die Population einzudämmen. Sie haben das „Augsburger Modell“ übernommen: Die Mitarbeiter des Stadttaubenprojekts richten Taubenhäuser ein und pflegen sie. Und entnehmen dann die Taubeneier, um sie gegen Attrappen auszutauschen.