Artikel teilen:

Was besagt das Selbstbestimmungsgesetz?

Seit einem halben Jahr ist das neue Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Inzwischen haben bundesweit mehrere tausend Menschen durch eine Erklärung beim Standesamt ihren Geschlechtseintrag geändert.

Vor einem halben Jahr, am 1. November, trat das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Es macht es für Trans- und intergeschlechtliche Menschen einfacher, ihren Namen und ihren Geschlechtseintrag im Pass zu ändern. Bislang waren dazu psychiatrische Gutachten notwendig. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet wichtige Fragen zu dem Gesetz und nennt aktuelle Zahlen.

Das zuvor geltende Transsexuellengesetz war über 40 Jahre alt. Danach mussten Menschen, die ihr Geschlecht im Pass ändern wollen, zwei psychiatrische Gutachten einholen und dabei sehr intime Fragen beantworten. Diese Gutachten kosteten mehr als 1.000 Euro und das Verfahren dauert Monate. Entscheiden musste dann ein Gericht. Das Bundesverfassungsgericht hatte Teile dieses Gesetzes mehrfach als verfassungswidrig eingestuft.

Mit dem Gesetz kann jede volljährige Person die Geschlechtsidentität im Pass frei wählen und selbst zwischen den Einträgen “männlich”, “weiblich”, “divers” oder “ohne Angabe” entscheiden. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Entscheidung auf einer empfundenen Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht (Transsexualität), auf biologisch uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen (Intersexualität) oder auf einem fehlenden Zugehörigkeitsgefühl zu beiden Geschlechtern (nichtbinäre Sexualität) beruht.

Zur unbürokratischen Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen ist durch das Selbstbestimmungsgesetz eine “Erklärung mit Eigenversicherung” ausreichend. Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen soll drei Monate vor der Erklärung gegenüber dem Standesamt angemeldet werden. In dieser Zeit hat die betroffene Person die Möglichkeit, die Änderung zu widerrufen. Die Entscheidung kann dann frühestens nach einem Jahr erneut geändert werden. Es geht bei der Reform nicht um geschlechtsangleichende Operationen.

Junge Menschen, die noch nicht volljährig sind, aber das 14. Lebensjahr vollendet haben, können die Erklärung laut Entwurf selbst abgeben, brauchen aber die Zustimmung der Sorgeberechtigten. Im Konfliktfall wird die Zustimmung durch das Familiengericht ersetzt. Maßstab dabei soll – wie im Familienrecht allgemein – das Kindeswohl sein. Bei jungen Menschen unter 14 Jahren können nur die Eltern oder andere gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen einreichen. Eltern wird zudem die Eintragung “Elternteil” anstelle von “Vater” oder “Mutter” in der Geburtsurkunde ihrer Kinder ermöglicht.

Männer können ihren Geschlechtseintrag nicht ändern, wenn dies offenkundig in Zusammenhang mit einer drohenden Einberufung für einen Verteidigungsfall steht. Das Selbstbestimmungsgesetz soll nichts am privaten Hausrecht und der Vertragsfreiheit ändern. Damit soll der Zugang zu geschützten Räumen wie Frauenhäusern, Fitnessstudios oder Saunen im Zweifelsfall weiter Frauen vorbehalten bleiben. Auch die Autonomie des Sports soll durch das Gesetz nicht angetastet werden. Für Asylsuchende gibt es ebenfalls Ausnahmen. Sie können eine Anpassung ihres Geschlechtseintrags nur dann beantragen, wenn ihr Aufenthaltstitel nicht innerhalb der folgenden zwei Monate ausläuft.

Nach einer KNA-Umfrage in bundesweit rund 20 größeren Städten in Deutschland sind es mehrere tausend Menschen. Allein in Berlin haben nach Inkrafttreten des Gesetzes rund 1.760 Menschen ihren Geschlechtseintrag geändert.

Neben der Sorge vor einem Missbrauch gibt es auch Kritik daran, wie das Gesetz den Umgang mit Jugendlichen regelt. Auch die katholische Kirche hatte dies bemängelt. CDU und CSU, aber auch die AfD hatten in ihrem Wahlprogramm geschrieben, dass sie das Gesetz wieder abschaffen wollen. Im Koalitionsvertrag steht nun, dass das Gesetz bis zum 31. Juli 2026 evaluiert werden soll.